Der neue Kino-Kritik "Meine Cousine Rachel": Bedrohliche Verführerin
"Meine Romane mögen sich gut verkaufen, aber die Kritiker können mich nicht ausstehen“, klagte einst Daphne Du Maurier. Filmemacher hingegen schätzten die aufwühlenden Erzählungen der Britin umso mehr, allen voran einer: Alfred Hitchcock. Seine Adaption von Du Mauriers "Rebecca“ wurde für elf Oscars nominiert, "Die Vögel“ gilt als einer der berühmtesten Filme des "Master of Suspense“.
Roger Michell wird seinem Ruf gerecht
Nun kommt eine weitere Verfilmung nach Daphne Du Maurier in die Kinos, die von britischen Literaturkritikern inzwischen posthum als "Mistress of Suspense“ gewürdigt wird. Ein Ruf, den Roger Michell mit seiner Fassung von "Meine Cousine Rachel“ gebührend untermauert.
Er hatte von Anfang an ein schlechtes Gefühl, als sein Cousin und Ziehvater Ambrose ihm in einem Brief zum ersten Mal von der Frau berichtete, die im fernen Italien sein Herz eroberte. Nun sind Philips (Sam Claflin) schlimmste Befürchtungen wahr geworden: Sein Ersatzvater ist in seinem toskanischen Kurort unter seltsamen Bedingungen verstorben, angeblich an einem Gehirntumor, und seine Witwe längst über alle Berge. Irgendwann, vermutet Philip ganz richtig, wird die ominöse Rachel wohl in dem Landhaus in Cornwall auftauchen müssen, das gemäß Ambrose’ Testament ihm hinterlassen wurde. Und er ist fest entschlossen, sie zu konfrontieren, sie um jeden Preis zu hassen.
Auch Philips verfällt Rachel
Aber wer könnte ernsthaft einer Frau widerstehen, die von der wundervollen Rachel Weisz gespielt wird? Schon gleich nach ihrer Ankunft auf dem Gut beginnt Rachel, ihre skeptische Umwelt für sich einzunehmen, von den Hunden über die Angestellten bis zum Dorfpfarrer. Und das auf völlig unaufdringliche Weise: Weisz’ Witwe ist keine große Verführerin, keine Femme fatale, sondern in ihrem Auftreten betont schlicht und züchtig. Stattdessen betört sie mit ihrer umgänglichen Art, ihrer Fürsorglichkeit und ihrer Freundlichkeit jeden, der ihr begegnet. Natürlich auch den ihr ach so feindlich gesinnten Erben, der ihr bald bereitwillig sein Herz und seine Geldbörse öffnet. Nur Philips Pate Nick (Iain Glen) und dessen Tochter Louise (Holliday Grainger) bleiben misstrauisch – und lassen bald auch Philip an den Beweggründen von Rachel zweifeln.
Lange bevor die Titelfigur das erste Mal auf der Leinwand erscheint, lässt die dissonante, unruhige Filmmusik von Rael Jones erahnen, dass diese Liebesgeschichte keine romantische wird. Und lange bevor es sich Philip eingestehen will, beschleicht das Publikum der Verdacht, dass Rachel mörderische Absichten haben könnte.
Großartige Regieleistung
Doch es ist nicht Rachel selbst, die diesen Verdacht mit Taten nährt, sondern vor allem Roger Michells meisterhaft verunsichernde Regie. War dieser Blick, den Kameramann Mike Eley da gerade von ihr einfing, berechnend oder völlig harmlos? Entsprechen die Anschuldigungen, die Nick und Louise gegen Rachel vorzubringen haben, der Wahrheit? Und entspringen die einzigen Szenenfragmente, in denen man Rachel tatsächlich sündigen sieht, der Realität oder Philips Fieberwahn?
Roger Michell lenkt den Blick der Zuschauer genau dorthin, wo er ihn haben will, und schafft mit Unschärfen, flackernden Kerzen und den Schatten eine Atmosphäre des Zweifels. Bis zum Schluss wird die Spannung gehalten, bis zum Schluss können sich weder Philip noch die Zuschauer sicher sein, ob sie es nun mit einer gewieften Strippenzieherin oder einer ahnungslosen Unschuld zu tun haben.
Regie: Roger Mitchell, 104 Minuten.
Kinos: Atelier, Neues Arena, Museum Lichtspiele
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