"Der Marsianer: Wir brauchen Hilfe
München - Hinweise auf flüssiges Wasser als weltbewegende Meldung? Der Mars als mögliche Ersatzwelt für unsere ruinierte Erde macht’s möglich. Nach Jahren der Funkstille kommt der rote Planet dank neuer NASA-Erkenntnisse auch ohne kleine grüne Männchen endlich wieder in die Schlagzeilen.
Wenig zufällig erscheint in diesem Zusammenhang die Nachricht über einen neuen Himmelskörper Hollywoods namens „Der Marsianer – Rettet Mark Watney“. Regie führt Ridley Scott, auch mit 77 Jahren ein unermüdlicher Kino-Pionier, mit dem überlangen Bibel-Epos „Exodus“ brachte der Brite zuletzt aber wenig Überirdisches zustande.
Geht es für Scott nun wieder zurück zu den erfolgreichen Science-Fiction-Wurzeln à la „Alien“? Ja und nein. Kommerziell dürfte „Der Marsianer“ (US-Einspiel: 55 Millionen Dollar am ersten Wochenende) sein erfolgreichster Film nach „Gladiator“ werden, und auch bei den Oscars 2016 kann er sich Chancen ausrechnen.
Doch glitschig-gefährliche Außerirdische finden sich in der Verfilmung des Bestsellers von Andy Weir nicht – die einzige fremde marsianische Lebensform sind Kartoffeln, die Mark Watney mit ein wenig Astronauten-Kot züchtet.
Warum der Botaniker dabei nicht den Mund verzieht hat einen triftigen Grund: Er wurde von seiner nach einem Sandsturm in Panik aufgelösten Crew zurückgelassen und von der NASA voreilig für tot erklärt. Doch ganz wie Tom Hanks in „Cast Away“ bringt Matt Damon alias Watney nicht nur Überlebensinstinkte, sondern auch Erfindergeist mit. Vier Jahre braucht es, bis eine Rettungsmission den Mars erreichen könnte – doch die Forschungs-Station ist eigentlich nur für 31 Tage ausgelegt.
Ein Robinson Crusoe im Weltraum, der Wasser braucht
Mit wissenschaftlicher Präzision zeigt „Der Marsianer“ nun, wie dieser moderne Robinson Crusoe Wasser gewinnt, (Naturkost-)Nahrung anbaut und dank dem guten alten Pathfinder-Rover auch wieder nach Hause telefonieren oder besser texten kann. Warum bei diesem etwas nerdigen „Jugend forscht“-Plädoyer auch die weniger technikinteressierten Zuschauer mitfiebern können, hat drei Gründe.
Zum einen glänzt Matt Damon als Identifikationsfigur mit glaubwürdiger Physis, scharfem Intellekt und sarkastisch-lakonischen Video-Tagebucheinträgen. Zum anderen verfügt die Odyssee am Boden über einen Witz, den man Scott gar nicht zugetraut hätte. Da wird der arme Watney von der NASA vorsichtig ermahnt, dass er auf seine Ausdrucksweise achten möge – immerhin geht seine Botschaft an die Welt. Oder wir hören den Disco-Knaller „Hot Stuff“, wenn er im Rücksitz radioaktives Material transportiert.
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Politisch-hintergründig wird es, wenn die NASA nach einem missglückten Raketen-Start Hilfe bei der chinesischen Raumfahrtbehörde sucht. Man muss diese unbürokratische Zusammenarbeit unter Forschern ja nicht an die große Glocke hängen.
Womit wir beim letzten Pluspunkt dieses fesselnden, technisch perfekten (der Mars wurde von Jordaniens Wadi-Rum-Wüste gedoubelt) Überlebensdramas in 3D wären. „Der Marsianer“ schildert hintergründig-kritisch, für Hollywood-Verhältnisse erstaunlich unsentimental und ganz ohne rührige Familienszenen, wie für die Rettung eines Einzelnen alles in Bewegung gesetzt wird – damit man bei der Heldenrettung am Ende aber auch als Unternehmen gut dasteht.
Denn ein bisschen PR könnte die NASA ja durchaus gebrauchen, Neil Armstrongs erste Schritte auf dem Mond liegen immerhin 36 Jahre zurück. Ob „Der Marsianer“ aber ein riesiger Sprung für die bemannte Raumfahrt wird, bleibt fraglich. Ein kleiner Schritt für das trotz „Gravity“ und „Interstellar“ schwächelnde Science-Fiction-Genre ist er aber allemal.
Kino: Cadillac, Leopold, Gabriel, Gloria sowie Cinameaxx und Royal (auch 3D), Mathäser (3D) und Cinema, Museum (OV) Regie: Ridley Scott (USA, 141 Min.)
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