Der kleine Prinz: Das Beste aus zwei Welten
Zweimal wird dem Mädchen etwas Positives vorausgesagt, doch einmal ist es auch eine Drohung: „Du wirst mal ein wunderbarer Erwachsener“, sagt ihre Mutter.
Das ist der dramaturgische Trick von Mark Osborne bei seiner Umsetzung von „Der kleine Prinz“: Die Geschichte von 1942 ist in die Gegenwart eingebettet. Die alleinerziehende Tiger-Mum, die für ihre Tochter nur das Beste, nämlich eine Karriere will, ist zur Zeitmanagerin für die Tochter geworden. Sie wohnen in einem Vorstadthaus, dort, wo die Gärten so steril wie die Wohnzimmer sind.
Ein alter Sonderling erzählt die Geschichte des "Kleinen Prinzen"
Nur ein Nachbar ist nicht konform. Der alte Sonderling in seinem zugewucherten Haus ist ein Messi, Bastler, Naturfreund, Träumer – und hier wird dem Mädchen die Geschichte vom „Kleinen Prinzen“ begegnen. Es ist eine Fantasiegeschichte des alten Mannes, in die sich Träume und Philosophie mischen, aber auch seine eigene Lebensgeschichte. Und es ist natürlich auch die Geschichte von Antoine de Saint-Exupéry mit seinem Flugzeugabsturz. So hört das Mädchen die Idee, wie sie einmal werden soll, aus dem Munde der durchökonomisierten, rationalistischen Konformitäts-Gesellschaft in Person ihrer Mutter – und aus dem Mund des schrulligen Alten. Natürlich schlägt sich der Film auf die Seite des Spielerischen, Neugierigen, Freiheitlichen, ohne platt zu sein oder Lebenszwänge zu leugnen.
Der Amerikaner Osborne, der schon für Dreamworx den seicht-unterhaltsamen „Kung Fu Panda“ animierte, hat sich mit einem französischen Trickfilmstudio zusammen getan. Herausgekommen ist Fantastisches: In diesem „Kleinen Prinz“ mischt sich der technische Perfektionsanspruch Hollywoods mit der größeren intellektuellen und künstlerischen Freiheit Europas.
Tolle Animationen in einer intelligent erzählten Geschichte
So ist ein ausgefeilter, intelligenter und rührend schöner Film entstanden: digital-realistisch auf der Animationsebene unserer Wirklichkeit, fantastisch animiert in der Fantasiewelt. In dieser eröffnen sich zwei Ebenen: die Abenteuerreise des Mädchens auf der Suche nach der verlorenen Freiheit der Fantasie, in der wir als karikierenden Typen dem ordnungsliebenden Polizisten begegnen, dem gierigen Kapitalisten, dem Narzissten und dem Bürokraten – allesamt bekannt aus dem Kosmos von Saint-Exupéry und noch immer gute Spiegel der Gesellschaft. Und wenn der Film dann noch in die 145-Millionen Mal verkaufte Kerngeschichte vom „Kleinen Prinzen“ einsteigt, sind hier die bekannten Originalbilder des Buches als Zeichnungen animiert.
Hier klingen auch totgesagte Sätze wie „Man sieht nur mit dem Herzen gut“ wieder kitschig und wahr. So ist dieser „Kleine Prinz“ kein Kinderfilm, sondern ein intelligenter Familienfilm. Uns Erwachsene stellt er vor die Frage, wie viel Freiraum wir uns und unseren Kindern noch lassen für bunte Gedanken und die großen Lebensfragen, so dass aus uns wieder mehr Menschen als Rollen werden.
- Themen: