Im Biopic "Django - Ein Leben für die Musik" muss Jazz-Legende Django Reinhardt zwar vor den Nazis fliehen: Das ist ihm aber ziemlich gleichgültig.Andreas Fischer
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2017 Roger Arpajou / Weltkino Eigentlich will Django Reinhardt (Reda Kateb) doch nur Gitarre spielen. Was die Nazis machen, interessiert ihn nicht.
Eigentlich hätte "Django - Ein Leben für die Musik" alles haben können, was ein Film braucht, der eine Berlinale eröffnen soll. Er hätte politisch sein können, er hätte sich mit der Vergangenheit auseinandersetzen können, er hätte erkunden können, wie sich Menschen in Extremsituationen verhalten, und er hätte die Kunst feiern können. Was der Film aber ist: Betroffenheitskino in altbackenen Inszenierungsmustern. Über die Musikerlegende
Django Reinhardt jedenfalls erfährt man nicht viel mehr, als eine Handvoll Klischees. Trotzdem durfte er in diesem Jahr als erster Film über die Berlinale-Leinwände flimmern. "Django" ist kein Biopic im herkömmlichen Sinne, er beschränkt sich auf ein kurzes Kapitel im Leben Django Reinhardts
, auf die Zeit zwischen 1943 und 1945. Reinhardt, ein Sinti, spielt anfangs noch in Paris in vollen Sälen seine synkopierten Gitarrenläufe. Er bringt Säle zum Kochen, in denen nicht nur besetzte Franzosen den Wehrmachtsalltag vergessen wollen, sondern auch die besetzenden Nazis sich den unwiderstehlichen Rhythmen der entarteten Musik nicht entziehen können. Etienne Comar inszenierte diesen Film, "Django" ist sein Debüt als Regisseur. Comar ist ein alter Hase im Kinogeschäft, er hat dutzende Filme produziert und
Drehbücher geschrieben. Der wunderbare "Von Menschen und Göttern" (2010) etwa stammt aus seiner Feder oder die demnächst in den Kinos
anlaufende Künstlerbiografie "Gauguin" (Kinostart: 2. November). Als Regisseur hat sich Comar mit "Django - Ein Leben für die Musik" nicht nachhaltig ins Kinogedächtnis gebracht. Seinem Film haftet dieselbe schwer erträgliche Gleichgültigkeit wie seinem Protagonisten an. Über den Menschen
Django Reinhardt, von Reda Kadeb mit Stoizismus und ordnungsgemäßer Handhaltung gespielt - der Musiker
konnte nach einer Brandverletzung den Ringfinger und den kleinen Finger nur beschränkt bewegen -, erfährt man fast nichts. Und ein Held ist er ohnehin nicht gewesen. So plätschert das Leben anfangs dahin, Reinhardt ist selbstverliebt, selbstvergessen, immer mal betrunken und nimmt es mit der Treue zu seiner Frau nicht zu genau. Außerdem ist er zu berühmt, um den Rassenwahn der Nazis auch als persönliche Gefahr begreifen zu müssen. Denkt er zumindest. Doch dann bekommt er ein gefährliches Angebot aus Berlin: Reinhardt soll für den Führer spielen, von dem er nur weiß, dass er einen hässlichen Schnurrbart hat. In seinem Umfeld freilich lassen die Deutschen immer mehr Menschen verschwinden. Okay, dann muss eben irgendwann auch ein Reinhardt fliehen. Besser is' wohl. Hilfe bekommt er von seiner undurchsichtigen Geliebten Louise (Cécile de France), die mit der Résistance genauso gut kann wie mit den Besetzern. Ein harter Schnitt - und schon ist man im nächsten Kapitel. Reinhardt in einem Sinti-Lager nahe der Schweizer Grenze, Reinhardt spielt die Nazis entgegen deren Anweisungen mit Synkopen in einen orgienhaften Rausch, Reinhardt opfert im Schnee seine Gitarre, um es doch noch über die Grenze zu schaffen, Reinhardt spielt im befreiten Paris ein Requiem für die Ermordeten Roma und Sinti. Dann ist der Film vorbei, und es bleibt einfach nichts hängen von dem Menschen, von der Zeit, von der Musik. Kein Gefühl, kein Bild, gar nichts. Am Ende hat man nur noch den Anfang im Gedächtnis. Diese bedrückende Szene, in der eine Gruppe Sinti in einem Wald von Nazis aufgespürt und hingerichtet wird. Als Letzten trifft einen alten blinden Gitarristen eine Kugel. Die Musik erstirbt jäh.