Der "Godzilla"-Film in der AZ-Kritik
Das Ungeheuer ist zurück: Gareth Edwards hat sich an den Godzilla- Stoff gewagt – und bläst damit wohltuend frischen Wind durch die Blockbuster-Branche.
München - Godzilla ist mit Abstand das populärste Ungeheuer der Filmgeschichte. Aber schon in seinem ersten Auftritt in Ishiro Hondas Genreklassiker aus dem Jahre 1954 war klar, dass diese Riesenechse mehr als nur ein gigantisches Kinomonster darstellt. Der Originalfilm reflektierte neun Jahre nach dem Atombombenabwurf auf Hiroshima und Nagasaki die real durchlebten Angsterfahrungen.
Gleichzeitig zeigten der Film und seine zahlreichen Nachfolgewerke das Monster nicht nur als Inkarnation des Bösen, sondern auch als tragische Gestalt, die trotz seiner destruktiven Kraft das Mitgefühl des Publikums einforderte.
Während Roland Emmerich in seinem „Godzilla“-Remake von 1998 die Riesenechse nur als Instrument digitaler Zerstörungsorgien einsetzte, dockt Gareth Edwards in der Neuverfilmung nun wieder am Geist des Originalstoffes an. Nicht umsonst begibt sich der Film zunächst nach Japan.
Die nette Echse
Joe und Sandra Brody (Bryan Cranston, Juliette Binoche) arbeiten dort als Ingenieure in einem Kernkraftwerk, als starke Erdbeben die Küste erschüttern. Die Erinnerungen an Fukushima werden eindringlich wachgerufen, wenn durch die gewaltigen Erschütterungen die Atomanlage wie ein Kartenhaus in sich zusammenfällt. Allerdings sind hier nicht tektonische Ursachen für das Unglück verantwortlich, sondern das Wiedererwachen eines vorzeitlichen Ungeheuers, das durch die Atombombentests im Pazifik über die Jahrzehnte zu beachtlicher Größe herangewachsen ist und nun nach mehr Radioaktivität hungert.
Während die Menschen relativ hilflos mit ihrer hochgerüsteten Militärmaschinerie operieren, eilt ihnen aus den Tiefen des Ozeans ein kraftvoller Retter zu Hilfe: Godzilla, der mit geballter Echsenkraft den bösartigen Rieseninsekten zu Leibe rückt. Auch wenn die Diversifizierung im Monsterlager zunächst etwas verwirrend erscheint, macht sie im Gesamtuniversum der „Godzilla“-Filme durchaus Sinn. Die Echse mutiert – wie schon in einigen japanischen Vorgängern - zum Alliierten der Menschheit und weist deren Allmachtfantasien deutlich in ihre Grenzen. Anders als im Genre üblich, sind es hier nicht menschliche Heldenfiguren, sondern die Naturgewalten selbst, die den Untergang der Zivilisation vereiteln.
Frischer Wind
Schon in seinem Regiedebüt, dem poetischen Science-Fiction-Film „Monsters“, stellte der Brite Gareth Edwards unter Beweis, dass man mit wenig Geld interessantes Genrekino auf die Beine stellen kann. Auch „Godzilla“ zeichnet sich durch einen sehr pointierten Einsatz visueller Effekte aus. Die Bilder der Zerstörung verkommen hier nie zum digitalen Muskelspiel.
Die finale Schlacht in der Bucht von San Francisco wird im kunstvollen Nebel-Setting ausgetragen und das Sounddesign unterstützt die lauernde Spannung des Films mit knarzenden, knirschenden und bassstarken Toneffekten. Ein angenehm frischer Wind weht mit „Godzilla“ durch die Blockbuster-Branche. Bleibt nur zu hoffen, dass sich Nachwuchsregisseure wie Edwards auch an der Kinokasse durchsetzen und einen längst überfälligen Innovationsschub im amerikanischen Popcornkino einleiten können.
Kinos: Cinema (engl.), Leopold, Mathäser, CinemaxX, Museum Lichtspiele, Royal-Filmpalast, R: Gareth Edwards (USA, 122 Minuten)
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