Da geht was
Können deutsche Regisseure auch gute Genrefilme machen? "Stereo" und "Über-Ich und Du" auf der Berlinale
Ein bisschen darf man sich beim deutschen Kino auf der Berlinale noch entspannen, zumindest, was die Pressekonferenzen anbelangt. Die Präsenz der Presse ist nicht riesig wie bei Georg Clooney und seinen Monuments Men, sondern viele Plätze sind frei, wenn Moritz Bleibtreu, Jürgen Vogel und Georg Friedrich auf dem Podium erscheinen, zusammen mit Regisseur Maximilian Erlenwein und dem Team von „Stereo“. Erlenwein hat schon mit „Schwerkraft“ bewiesen, dass deutsches Genrekino geht, wobei der Berliner Regisseur gern wild die Genres mixt und nun in „Stereo“ (Kinostart: 1. Mai) von Eric (Vogel) erzählt, ein tätowierter, aber netter Typ mit Freundin, der in der Provinz eine Autowerkstatt führt.
Eines Tages erscheint Henry (Bleibtreu), eine dunkle Gestalt im Kapuzenpulli, die Eric nicht mehr von der Seite weicht und ihn zu bösen Taten anstiften will, ihn in die Vergangenheit zurückzieht. Für andere ist dieser Henry unsichtbar – „Mein Freund Harvey“ war für Erlenwein die Inspirationsquelle, nur, dass er den zwei Meter großen Hasen, den allein Jimmy Stewart sehen konnte, mit einem „zynischen, dreckigen Mistkerl“ ausgetauscht hat. Die Assoziationen ans US-Kino sind dicht in „Stereo“, Blockbuster wie „Face/Off“ und Gangsterfilme lassen grüßen: Eric muss feststellen, dass er mit ein paar bösen Jungs, angeführt von Georg Friedrich, eine Rechnung offen hat. Am Ende wird es sehr blutig, wofür Erlenwein sich aber begeistert: Einfach mal im deutschen Kino das „volle Brett“ geben, darum geht es ihm, wobei er einräumt, dass man mit den begrenzten Budgets hierzulande eben auch sehr kreativ umgehen muss.Das Ergebnis ist krude - und unterhaltsam.
Schmerzhafter Kontakt mit der Unterwelt
An einer Komödie hat sich Benjamin Heisenberg versucht, der 2010 für seinen dichten Krimi „Räuber“ mit Preisen überhäuft wurde – nur, dass das Publikum nicht ins Kino ging. Jetzt spannt Heisenberg in „Über-Ich und Du“ (Kinostart: 8. Mai) den Franzosen André Willms und den österreichischen „Stereo“-Gangster Georg Friedrich zusammen, beides bekannte Schauspieler, Friedrich aus den Uli-Seidl-Filmen, und Wilms unter anderem aus Aki Kaurismäkis lakonischen Komödien. Bei der Pressekonferenz nennt Wilms Buster Keaton als Vorbild, einer, der die Zuschauer mit seinem stoischen Gesicht kommen ließ, zur Projektionsfläche wurde, was für Heisenbergs psychoanalytischen Spaß schön passt. Friedrich schleicht sich als Gelegenheitsgauner bei dem betagten Star-Psychologen Curt Ledig als Betreuer ein, wird von diesem etwas therapiert, während Curt in schmerzhaften Kontakt mit der Unterwelt kommt (schön bös‘: Maria Hofstätter als „Mutter“) und sich seiner Nazi-Vergangenheit stellen will.
Ein Heißluftballon mit streitendem Paar fliegt immer wieder als buchstäbliches Über-Ich über die Landschaften, und Friedrich wird beim alpinen Feriensitz des Psychologen bis zum Kopf zur Wiedergeburts-Therapie eingegraben, um dann Sturm und Regen und ein paar Ameisen ausgesetzt zu sein. Das ist heiteres Kopf-Kino, für Heisenberg-Verhältnisse sehr locker in der Handlungsführung und ein ganz wohltuender Abschied vom strengen Formalismus der Berliner Schule. Ob so ein Stoff aber Leute ins Kino bringt? Es ist zu bezweifeln. Immerhin: Die Weltpremiere von „Stereo“ im Zoo-Palast war bereits ausverkauft, während es für Clooney und seine „Monuments Men“ im Berlinale Palast für die gleiche Uhrzeit noch Karten gab.