Cinema Iran: Kino mit Aha-Effekt
Die Jubiläumsausgabe von Cinema Iran ermöglicht wieder Filme zu sehen, die teilweise sonst nicht in die Kinos kommen. Festivalgründerin Silvia Bauer zeigt im Projektor des Gasteig HP8 in Sendling auch den Film „Ballade von der weißen Kuh“ (19. Juli, 16 Uhr) von Betash Sanaeeha und Maryam Moghaddam. Die Filmemacher hatten im vergangenen Jahr mit „Ein kleines Stück vom Kuchen“ einen großen Arthaus-Erfolg in Deutschland hatten. Dazu gibt es ein Rahmenprogramm mit Lesung und Performance.
AZ: Frau Bauer, wie kamen Sie auf die Idee, ein Festival für iranische Filme zu gründen?
SILVIA BAUER: Das erste Festival fand im Mai 2014 statt, den Plan dazu trug ich mindestens schon 5 Jahre länger in mir. Ich hatte aber lange Zeit Bedenken, weil ich keinen iranischen Familienhintergrund habe und gerne iranische Mitstreitende an meiner Seite wissen wollte, um einer unbewussten kulturellen Aneignung vorzubeugen.
Eine andere Art der Erzählweise
Ihre Leidenschaft für den iranischen Film haben Sie in hiesigen Kinos entdeckt, oder auch beim Bereisen des Landes?
Zunächst waren es die Filme selbst. Viele eröffnen einen ganz anderen Gedankenraum, weil die Dramaturgie und die Erzählweise doch ein wenig anders ist als im westlichen Kino. Ich habe Anglistik und Amerikanistik studiert und bin mit dem entsprechenden Kino sozialisiert worden. Das iranische Kino war für mich ein Aha-Effekt. Bereist habe ich das Land dann erstmals 2010. Da habe ich dann auch vor Ort Künstlerinnen und Künstler kennengelernt.

War Ihnen 2014 klar, dass es eine Zukunft für Ihre Festival geben könnte, oder war es als einmaliges Ereignis geplant?
Die zweite Ausgabe war die schwierigste, weil ich fast überhaupt kein Budget hatte, beim ersten Mal gab es eine kleine Förderung durch das Kulturreferat, aber das war eine einmalige Projektförderung. Ich arbeite seit vielen Jahren für das Dok.Fest, habe Kontakt zum Verein „Filmstadt München“ aufgenommen und ab dann eine regelmäßigere Förderung erhalten.
Ist die zehnte Ausgabe nun die größte?
Leider nicht, in meinen Anträgen habe ich größer gedacht, weil letztes Mal unser zehnjähriges war und - durch den zweimaligen Ausfall wegen Corona - nun die zehnte Ausgabe ansteht. Aber inzwischen ist der Kulturetat gekürzt worden, ich muss eher mit stetig sinkenden Etats planen. Da alle Hotel- und Reisekosten gestiegen sind, auch die Gebühren, um einen Film zu zeigen, wird das immer schwieriger.

Jafar Panahi hat dieses Jahr in Cannes mit „Un simple Accident“ die Goldene Palme gewonnen. Haben Sie ich darum bemüht, den Film zu bekommen?
Nein, denn ich bin fest davon ausgegangen, dass der auf dem Münchner Filmfest laufen würde. Tat er dann aber nicht.
Dafür haben Sie einen anderen Coup gelandet: die Preview der Bestseller-Verfilmung „Lolita lesen in Teheran“.
Ich habe mir das Buch von Azar Nafisi direkt nach dem Erscheinen 2004 gekauft und war jetzt natürlich neugierig auf den Film. Ich habe ein bisschen gebettelt und der Vertrieb hat sich angeschaut, was wir sonst so zeigen und war dann der Meinung, dass wir ein guter Ort für die Preview sind. Der deutsche Kinostart ist dann erst im Dezember.
Kaurismäki spricht Farsi
Das ist Ihr Abschlussfilm, Sie starten aber mit „Universal Language“.
Der Kanadier Matthew Rankins hat sich intensiv mit dem iranischen Kino auseinandergesetzt, „Universal Language“ spielt im kanadischen Winnipeg, erzählt aber auf Farsi persische Familiengeschichten.
Aber ein großer Einfluss von Kaurismäki ist auch zu erkennen.
Durchaus. „Universal Language“ ist universales Kino, weil Ranking filmgeschichtlich ganz viele Linien aufgreift, die sich dann gar nicht mehr so eindeutig geographisch verorten lassen.

Im Iran gedreht sind hingegen die Filme von Vahid Vakilifar.
Ich zeige zwei Deutschlandpremieren von ihm, bei der vierten Ausgabe von Cinema Iran haben wir mit seinem Film „Gesher“ eröffnet. Ich verstehe bis heute nicht, warum er nicht bei anderen Filmfestivals entdeckt worden ist. Er dreht komplett innovative Filme. „K9“ beispielsweise ist einfach ein total durchgeknallter Science-Fiction-Film und die dystopischste Dystopie, die ich in den letzten Jahren gesehen habe. Ich hätte Vahid Vakilifar gerne nach München eingeladen, aber derzeit durchläuft er sein Asylverfahren in Frankreich und darf das Land deswegen nicht verlassen.
Was für ein Publikum zieht ihr Festival an?
Vom ersten Tag an war das Publikum sehr gemischt, wie es der Münchner Stadtbevölkerung entspricht, keineswegs nur die Münchner Exil-Iraner. „Lolita lesen in Teheran“ ist inszeniert vom israelischen Regisseur Eran Riklis und ich würde mich freuen, wenn wir ein israelisch-iranisches Publikum gewinnen könnten, das sich im Kinosaal trifft. Das hat im letzten Jahr mit dem Film „Tatami“ auch wunderbar funktioniert.
Die Filme werden im Projektor des Gasteig HP8 gezeigt. Mehr Infos, auch zum Rahmenprogramm unter www.cinema-iran.de, Tickets sind für 8 Euro beziehungsweise ermäßigt 6 Euro unter www.muenchenticket.de erhältlich
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