"Bridge of Spies": Der Kalte Krieg mit Tom Hanks

Steven Spielberg inszeniert einen der spektakulärsten Gefangenenaustäusche der Geschichte. Dank Tom Hanks und des Cohen-Drehbuchs kann man über Ungereimtheiten hinwegsehen.
(rba/spot) |
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Regie-Großmeister Steven Spielberg (68) wagt sich an eines seiner Lieblingsgenres: den Spionage-Thriller. Nach "Lincoln" rückt er eine Figur in die Öffentlichkeit, deren Arbeit seinerzeit bewusst von der Politik verschwiegen wurde. Im Kalten Krieg führt Tom Hanks die Gespräche, zu denen die USA und die Sowjetunion noch nicht bereit sind. Als Versicherungsanwalt James Donovan rettet er quasi im Alleingang die Menschheit vor einem dritten Weltkrieg.

Sehen Sie auf Clipfish den Trailer zu "Bridge of Spies"

 

"Alle werden mich hassen, aber wenigstens verliere ich den Fall"

 

Der Kalte Krieg zwischen Ost und West wird nicht mit Waffen geführt, sondern mit Informationen. Als der Sowjet-Spion Rudolf Abel (Mark Rylance) in New York festgenommen wird, will die amerikanische Regierung dem Staatsfeind Nummer Eins zumindest einen fairen Prozess samt Top-Verteidiger zugestehen. Wer könnte da besser geeignet sein, als der Versicherungsanwalt James Donovan (Hanks)? Der Schuldspruch ist zwar unausweichlich, aber der moralisch gefestigte Durchschnitts-Amerikaner Donovan gibt jedem Menschen eine Chance und kann die Todesstrafe abwenden. Vielleicht kann man Abel ja in naher Zukunft als Austauschs-Objekt benutzen?

Kurze Zeit später scheint sich Donovans Weisheit auszuzahlen: Der Aufklärungs-Pilot Francis Gary Powers (Austin Stowell) wird über der Sowjetunion abgeschossen und gefangen genommen. Auch auf dieser Seite wird ein Schauprozess medienwirksam umgesetzt. Doch Ost und West sind sich in ihren Zielen näher als sie zugeben wollen und streben einen Austausch an. Natürlich inoffiziell. Donovan soll als Privatperson ins eingemauerte Ost-Berlin reisen und als Unterhändler fungieren. Doch auch hier reichen ihm die Unterredungen mit seinem sowjetischen Pendant nicht aus, er will auch mit der DDR über die Freilassung eines amerikanischen Studenten verhandeln, der sich zur falschen Zeit am falschen Ort befand.

 

Diplomaten-Thriller

 

Wer bei "Bridge of Spies" einen klassischen Agenten-Streifen in James-Bond-Manier erwartet, wird wohl enttäuscht werden. Vielmehr handelt es sich um einen Diplomaten-Thriller mit Augenzwinkern. Die Autoren (Matt Charman, Ethan und Joel Cohen) verleihen dem Text so viel Witz und Charme, dass man beinahe vergessen könnte, dass hier über Krieg und Frieden verhandelt wird. Gerade die Figur des Rudolf Abel wird von Mark Rylance mit beschwingter Leichtigkeit gespielt. Selten war ein sowjetischer Spion so sympathisch.

Hauptdarsteller Tom Hanks gibt den Versicherungsanwalt James Donovan als bodenständigen, unaufgeregten Familienvater, dessen Juristen-Logik gleichermaßen bestechend wie entwaffnend ist. Dass seine Familie ins Schussfeld seiner Kritiker gerät, scheint er gut wegzustecken. Und in Ost-Berlin angekommen, nimmt er sich zudem als einziger dem Schicksal des armen Studenten an. Leider ist hier der Charakter etwas flach. Der Zuschauer bleibt über seine Beweggründe oder Gedanken im Unklaren und aus Mangel an Beweisen muss er sich mit einer Interpretation zufrieden geben: Donovan ist einfach ein guter Mensch.

Kalter Krieg, kalte Stadt: James Donovan (Tom Hanks) an der Berliner Mauer. © 20th Century Fox

 

 

Frostiger Osten - Strahlender Westen

 

US-Amerikaner Steven Spielberg setzt sein Heimatland gekonnt in Szene: Sonnenschein, warme Farben, patriotische Musik (Filmkomponist Thomas Newman schrieb auch die Musik zu "James Bond: Spectre") und der Staatsfeind wird selbst im Gefängnis freundlich geweckt. Im Osten scheint das alles etwas schwieriger: Schnee und Eis, Kriminelle an jeder Straßenecke und Schlafentzug für den gefangenen Amerikaner. Zwei Gesellschaften, deren Ideale, Alltag und Wetterverhältnisse polarisieren.

 

Wann sind wir?

 

Aufgrund der Tatsache, dass der Film auf den wahren Begebenheiten an der Glienicker Brücke in Potsdam beruht, hätte man sich gewünscht, dass Spielberg den Zuschauer zeitlich wenigstens etwas an die Hand nimmt. Wenn man im Geschichtsunterricht aufgepasst hat, weiß man, dass die Mauer zwischen Ost- und West-Deutschland im August 1961 gebaut wurde. Warum also sieht es dort dann so kalt aus? Und warum schneit es die ganze Zeit? Spielberg verzichtete sicherlich auf jegliche Zeit-Angaben, um die Geschichte für den Film zu raffen. Was sich damals tatsächlich über knapp fünf Jahre (April 1957 bis Februar 1962) erstreckte, scheint Tom Hanks in zwei Wochen abzuarbeiten. Das ist gut für die Spannung, aber irritierend für den Hinterkopf.

 

Fazit

 

Steven Spielberg, Tom Hanks und die Cohen-Brüdern. Eigentlich reichen diese Namen schon, um einen Fan ins Kino zu locken und Filmpreis-Juroren aufhorchen zu lassen. Doch in diesem Fall steckt tatsächlich noch viel mehr dahinter: Regie, Schauspiel und Drehbuch sind so perfekt aufeinander abgestimmt, dass man über einzelne Ungereimtheiten hinwegsehen mag. Der heimliche Star des Films ist Rudolf Abel, der nonchalante Sowjet-Spion, der am Ende doch bitte bei den Amerikanern bleibt. "Bridge of Spies - Der Unterhändler" ist ein amüsantes Katz-und-Maus-Spiel, das über knapp zweieinhalb Stunden nicht an Tempo verliert.

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