"F1" im Kino: Lohnt sich Brads Pit(t)-Stop auch für Formel-1-Laien?
Rainhard Fendrich hat das Phänomen 1982 in "Es lebe der Sport" in einem Satz beschrieben: "Autorennen san da sehr gefragt, weil hi und da sich einer überschlagt…" Denn nur Rundenzählen unter Dauerröhren kann sehr langweilig sein. Aber dieses Problem hat der 81-jährige Hollywood-Blockbuster-Produzent Jerry Bruckheimer (von "Flashdance" über "Top Gun" und "Pearl Harbor" bis "Pirates oft he Caribbean") mit einem Produktionsbudget von geschätzten 300 Millionen Dollar fantastisch ausgehebelt, sodass die 150-Filmminuten keinen Durchhänger haben.
Lewis Hamilton steigt aus dem Konkurrenz-Mercedes
Die Kameras überfliegen die Rennen in wendigen Drohnen oder kleben an den Boliden vorne, hinten und seitlich, sodass man nicht nur "Ben-Hur"-artig gegnerische Gummireifen feindlich aneinanderreiben sieht. Überhaupt bekommt man als Kinozuschauer bei über 300 Stundenkilometern mehr mit als die Fahrer selbst, die - schon beim Zuschauen Klaustrophobie erzeugend - in Schutzkleidung fast mumifiziert ins Cockpit eingepresst sind, von Bügeln wie bei der Fünfer-Looping-Achterbahn gehalten. Aber deren eingespannte, angespannte Gesichter sind hinter den Visieren klar zu erkennen. Und so glaubt man, auch die Behauptung Brad Pitt sei mit seinen 61 Jahren selbst mitgesaust. Und so wirkt sein Satz, wenn er nicht Schauspieler wäre, wäre er Rennfahrer, nicht nur wie ein Marketing-Gag ist. Und kurz steigt auch mal Lewis Hamilton - siebenfacher Weltmeister - am Ende eines der vielen Filmrennen aus dem Konkurrenz-Mercedes.

Der alte Hase im Cockpit
Neben der spannenden Nähe und den Drehs bei wirklichen Rennen, staunt man über die Glitzerwelt auf und um die Rennstrecken. Allein in diesem Jahr wird die Formel 1 in 24 Rennen in 21 Ländern ausgetragen. So sieht man in "F1" auch Monza, Abu Dhabi oder Las Vegas (weil Pitt einen ehemaligen Spieler spielt). Und im britischen Silverstone ist der fiktive Film-Rennstall APXGP, für den Pitt und ein junger Schwarzer fahren, zwischen den realen von Ferrari und Mercedes einquartiert.
Regisseur Kosinski ist inhaltlich ein Wagnis eingegangen
Regisseur Joseph Kosinski (51), von dem auch das Drehbuch und der ebenfalls rasante Film "Top Gun: Maverick" stammt, ist inhaltlich ein gewisses Wagnis eingegangen. Zwar erfüllt der Film alle dramaturgischen und inhaltlichen Erwartungen, den man an einen Blockbuster-Film hat. Aber "F1" bleibt - gegen aktuelle Zeitgeisttrends - ein absoluter, klassischer Männerfilm. Das liegt nicht nur am Motorsport-Thema, bei dem man als Außenseiter ohnehin nie ganz kapiert, was "Safety-Cars" nach einem Unfall auf der Strecke strategisch für die jeweiligen Teams bedeuten oder warum sich alles beim Boxenstopp entscheidet, und wie es sein kann, dass nach Dutzenden Runden es immer noch um Zehntel-Sekunden geht. Aber auch ohne Fachwissen ist man fasziniert.

Entgegen einer filmischen Erfolgsregel dimmt "F1" auch den sogenannten "Love Interest" fast komplett herunter. Weiblicherseits gibt es nur Kerry Condon ("The Banshees of Inisherin"). Immerhin ist sie ungewöhnlicherweise als Frau die Chef-Entwicklerin und Ingenieurin des Rennstalls. Sie hat ihr Familienleben für den rast- und ortlosen Rennsport geopfert und verliebt sich in Sonny Hayes. Aber Kosinski hatte letztlich einen Western im Kopf, in dem der "Lonesome Cowboy" nach getaner Sieges-Arbeit ohne Frau aus der Stadt reitet… oder wie hier Brad Pitt in seinem Trailer weiterzieht.

Eine große Brad-Pitt-Männlichkeitsshow
Überhaupt ist "F1" eine große Brad-Pitt-Männlichkeitsshow mit Hemden, die man weiter nicht aufknöpfen kann und Liegestützorgien. Aber er ist unser Held: nicht immer korrekt, aber sympathisch, sogar uneitel - im Gegensatz zum Jungspund Joshua (Damson Idris), mit dem er trotz gegenseitiger Abneigung in ein Rennteam zusammengespannt ist. So müssen der alte weise, weiße Mann (Pitt) und ein ehrgeiziger junger Schwarzer (aus einem Klischeemilieu) nach einigen Kollisionen zusammenfinden. Pitts Old-School-Joggen wird wichtiger als Joshuas High-Tech-Spezialtraining, Sonnys Social-Media-Verachtung setzt sich als persönliche Autonomie gegen Marketing-Kalkül und ewige Präsenz als Marktwert durch und Hayes durchschaut als erster die schmutzigen Tricks des Rennstall-Besitzers.

Fast suizidal das Nirwana spüren
Mehrfach im Film fällt die Frage, worum es Sonny, der eigentlich nach einem Wirbelbruch nur noch unter Lebensgefahr weiterfahren kann, eigentlich gehe? Geld, Ruhm? Hayes gibt darauf keine Antwort, sondern gibt den Siegerpokal an seinen Mentor und Racing-Team-Chef (Javier Bardem) weiter oder verzichtet in Florida auf eine Daytona-Uhr und zerreißt einmal einen Gehalts-Scheck. Es geht ihm um ein überirdisches Gefühl, wenn die Geschwindigkeit und der Flow einen in Trance versetzen, man plötzlich das Gefühl der Unverwundbarkeit und der Macht hat. Es ist eine Selbst-Apotheose im Geschwindigkeitsrausch, nach der Sonny Hayes süchtig ist. Ein Adrenalin-Junkie, der dadurch - fast suizidal - das Nirwana spüren will.
Und wie hält es "F1" mit dem "hi und da sich einer überschlagt"? Auch dieser Kitzel wird spektakulär bedient. Ayrton Senna da Silva konnte, im Gegensatz zu anderen Formel- 1-Stars, nicht mehr mitspielen. Aber sein tödlicher Unfall von 1994 wird aufgegriffen: aber als nur fast tödlicher von Sonny Hayes alias Brad Pitt, der es in "F1" als alter, zurückgekehrter Hase allen noch einmal zeigt.

Kino: Leopold, Cinemaxx, Royal, Gloria, Solln sowie Monopol (OmU) und Mathäser (alle Versionen) sowie Astor im Arri, Cinema, Museum (OV)
Joseph Kosinski (USA, 148 Min.)
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