"Body of Truth": Mit grenzenlosem Einsatz
"Der Geist kann lügen, doch der Körper lügt nie", sagt Marina Abramoviæ im Film "Body of Truth". Der Titel suggeriert einen Zusammenhang, der gleich in den ersten Minuten wieder von den vier porträtierten Künstlerinnen unterlaufen wird. Zwar spielt bei allen der mehr oder weniger rücksichtslos eingesetzte eigene Körper eine Rolle im künstlerischen Schaffen. Aber die Fotografin Katharina Sieverding betont eingangs, dass bei ihr der Kopf das entscheidende Körperteil sei, auch wenn sie immer wieder mit Selbstporträts arbeitet.
Die Widersprüche sind eine Stärke von "Body of Truth"
Evelyn Schels lässt in ihrem Dokumentarfilm solche Widersprüche stehen. Es ist eine Stärke von "Body of Truth", der vier Künstlerinnen und ihr Werk miteinander in Dialog treten lässt, dass auf jeden Kommentar Dritter verzichtet und die Feststellung von Gemeinsamkeiten oder Unterschieden dem Zuschauer überlassen wird. Der Film stellt so durch die Engführung der Biografien und Arbeitsweisen vor allem die Individualität heraus, ohne das Weibliche feministisch zu betonen.
Die stärkste Gemeinsamkeit entsteht über den autobiografischen Charakter aller Arbeiten und die Grenzgänge zwischen verschiedenen Techniken wie Kalligrafie, Bildhauerei, Fotografie und Performance. Die zweite große Verbindung zwischen den Künstlerinnen ist das Politische.
Die in Belgrad geborene Performancekünstlerin Marina Abramoviæ hat sich schon in einer ihrer frühen Arbeit "Lips of Thomas" mit dem Rasiermesser einen fünfzackigen Stern in den Bauch geritzt und sich später mit dem Bürgerkrieg und dem Zerfall Jugolawiens auseinandergesetzt, das ihre Eltern als Partisanen in der Armee Titos mit einigen halfen. Die im Iran geborene Shirin Neshat beschäftigt sich mit dem widersprüchlichen Verhältnis zwischen Religion und Gewalt. Katharina Sieverding entschloss sich am Tag des Todes von Benno Ohnesorg, in die Klasse von Joseph Beuys einzutreten, die Performerin und Bildhauerin Sigalit Landau hat den in Israel allgegenwärtigen Stacheldraht zu einem Hula-Hoop-Reifen geformt und damit nackt getanzt.
Der Film zeigt die Künstlerinen ohne jedes Kuratoren-Geschwurbel bei der Arbeit. Katharina Sieverding beobachtet mit einer Knips-Leica die Hängung des 200 Meter langen Bilderfrieses "Global Desire Bahnhofsviertel Düsseldorf", Marina Abramoviæ erläutert mit dem hölzernen Kochlöffel in der Hand ihren Mitarbeitern Ideen zur Hängung in der Royal Academy.
Sigalit Landau wirft am Toten Meer haufenweise Schuhe auf eine Insel und verarbeitet damit nicht nur die Beziehung zu ihrer Mutter, sondern auch ihre Herkunft aus einer Familie von Überlebenden der Shoah. Und am Ende besucht Shirin Neshat ihre Kollegin Marina Abramoviæ in ihrem New Yorker Studio, ehe beide mit dem Boot durch die Upper Bay vor Manhattan fahren.
Die Nüchternheit macht den Film sehenswert
Der Film gibt eine zwanglose und zugleich persönliche Einführung in das Werk der Künstlerinnen. Ganz nebenbei wird deutlich, wie eng alle vier mit hochspezialisierten Experten zusammenarbeiten.
Einmal ist Shirin Neshat mit keinem ihrer Fotoporträts der pakistanischen Friedensnobelpreisträgerin und Bildungsaktivistin Malala Yousafzai zufrieden. Sie bittet ihren Mitarbeiter einfach, die Hände eines Bildes mit dem Gesicht eines anderen per Photoshop zusammenzubringen.
Eine solche Nüchternheit stünde auch anderen Kunst-Dokus gut an. Sie macht "Body of Trouth" besonders sehenswert.
Regie: Evelyn Schels, D, 92 Min. Kinos: City, Atelier, Monopol, Studio Isabella
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