Blanker Horror, innerer Wahn?
Die kleine Schwester des großen J-Horrors: Der deutsche Psychothriller „Zimmer 205“.
MÜNCHEN - Der japanische Horrorfilm, kurz J-Horror, ist berüchtigt für sein Grauen ohne Erholungspausen. Seine hartnäckigen Geister verkörpern dabei nicht wie in US-amerikanischen Gruselschockern das satanistische Böse. Die Scheinwesen legitimieren sich vielmehr durch die alte japanische Tradition der Geistergeschichten und leben so in Koexistenz mit den Menschen. Kommt es bei dieser multikulturellen Lebensform allerdings zu sphärischen Reibereien, wüten die Geister schnell und lassen sich nicht so leicht wie in den US-Versionen mit kathartischer Entschlossenheit abwimmeln.
Jenes Gewalt-Bacchanal bleibt auch in „Zimmer 205“ aus. Zum einen, weil es letztendlich dem Zuschauer überlassen bleibt, zu erkennen, wer Täter und wer Opfer ist. Zum anderen, weil diesem deutschen Psychothriller ein Regisseur vorsteht, dessen Liebe zum J-Horror bekannt ist. Dass Rainer Matsutanis favorisierte Filme „Ju-On“ und „Ringu“ da ihre Schlammspuren hinterlassen, war zu befürchten. So spielt auch „Zimmer 205“ subtil mit unseren Erwartungen, Bedrohungen und Ängsten – und das noch lange nach der letzten Szene.
Schon gleich zu Beginn drückt man sich tief in die Kinosessel, wenn Julia Dietze als undurchschaubare Annika zu ihrer ersten Tat schreitet. Die kündigt die eigentlich verschwundene Studentin gern mit dezentem Lichtflackern an. Ein fast unerträglicher, weil in die Länge gezogener, Spannungsmoment. Die Erlösung – der Mord – kommt dann aber so plötzlich, dass ein gewaltiger Ruck durch die Kinositzreihen geht.
Dauergeschockt ist auch Campus-Neuling Katrin (Jennifer Ulrich). Frisch in ein Studentenwohnheim eingezogen, stürzt sie sich nicht nur ins wilde Uni-Leben, sondern auch in psychischen Wahnsinn. Ist daran die unheimliche WG-Vormieterin Annika schuld? Oder ist es doch die geheimnistuerische Studi-Clique, in die sie reinrutscht? Zeit zum Nachdenken hat Katrin nicht – ein mysteriöser Todesfall nach dem anderen dezimiert ihre Ansprechpartner. Und zum Schluss scheint es auch sie selbst zu treffen.
Trotz allem Horror gewinnt „Zimmer 205“ aber auch Tiefe durch psychologisch fundierte Charakterstudien. US-amerikanisch ist einzig die enge Teamarbeit bei diesem Projekt, die das Budget von nur etwa drei Millionen Euro erforderlich machte. Alles andere darf als deutsche Schwester des großen, traditionellen japanischen Horror-Genres bewundert werden.
Kino: Mathäser R: Rainer Matsutani (D, 103 Min.)
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