Berlinale: Pattinson und die starken Frauen
Starke Frauen im Fokus der Berlinale: In einem wunderbaren Wettbewerbsbeitrag aus Paraguay und einem eher lauen US-Western mit Mia Wasikowska und Robert Pattinson
Der Genuss einer Zigarette kann lästige Wartezeit verkürzen – wenn das Rauchen nicht fast überall verboten wäre. Im Auto jedoch kann man sich diese Freiheit schon nehmen. Chela, die in die Jahre gekommene Heldin des Berlinale-Wettbewerbsbeitrags „Die Erbinnen“ hat an Glimmstängeln eigentlich kein Interesse. Aber dann sitzt sie mit der jüngeren Angy im Auto und die versucht, ihr das Rauchen beibringen: Chela inhaliert doch – und hustet.
Aller Anfang ist schwer, gerade, wenn es späte Anfänge sind und die Lebenslust etwas versiegt ist. Mit der temperamentvollen Chiquita hat Chela über 30 Jahre lang zusammengelebt, beide kommen von reichen Familien aus Asunción in Paraguay. Weil Chiquita Schulden angesammelt hat, müssen die beide die Erbstücke in ihrem Haus verkaufen. Chiquita kommt zudem für einige Zeit wegen Betrugs in Haft, weswegen die zurückhaltende Chela plötzlich auf sich allein gestellt ist. Eines Morgens kommt eine Nachbarin vorbei, bittet sie um einen Fahrdienst – und so wird Chela langsam zur Chauffeurin für ältere Damen, die sie herrschaftlich bezahlen. Als ob alle wüssten, in welcher Notlage sie ist…
Hunde sind auch nur Menschen: "Isle of Dogs"
Wie Chela aus dem Gefängnis, das sie sich über die Jahre mit Chiquita gebaut hat, langsam ausbricht, wie sie auflebt und im Kontakt mit der jüngeren Angy ein Begehren erwacht, das Chela selbst wohl nicht mehr für möglich gehalten hätte, erzählt Marcelo Martinessi in präzise gesetzten Szenen, psychologisch subtil und mit einem großartigen Frauenensemble, allen voran Ana Brun als sich allmählich öffnende Chela. Das Auftragen von Make-up, das Tragen einer Sonnenbrille deuten auf diesen Prozess hin. Und wer mit wem eine Zigarette genießt, das war im Kino schon immer ein deutliches Rauchzeichen für sexuelle Interessen und potentielle Beziehungen.
Nach „Isle of Dogs“, in der Hunde eine eingeschworene Gang bildeten, geht es in „Die Erbinnen“ um eine solidarische Gemeinschaft der Frauen, die männliche Gesellschaft gar nicht mehr nötig haben. Doch, einmal ist ein Trupp Männer gefordert, um ein schweres Klavier ächzend zu tragen. Ein subtiler, auch komischer Film über die Liebe zwischen Frauen, über eine Beziehung in der Krise und neue Aussichten, geschrieben und inszeniert von einem Mann, aus einem Land, das auf der Weltkarte das Kinos kaum eine Rolle spielt: „Die Erbinnen“ ist auf Anhieb einer DER Filme des Festivals.
Dekadenz und Befreiung: "Die Erbinnen - The Heires"
Die begüterte Frau aus Paraguay ist sich eigentlich zu fein für das „Taxi Driver“-Dasein, wird aber sanft zur Arbeit und Befreiung angestupst. Mit starker komödiantischer Kraft hingegen legen David und Nathan Zellner mit dem Wettbewerbsbeitrag „Damsel“ einen „feministischen“ Western hin. Das sieht dann so aus, dass Robert Pattinson sich als Cowboy Samuel Alabaster mit einem Priester auf den Weg macht, um seine Freundin Penelope angeblich aus den Händen eines Entführers zu befreien und dann zu heiraten. Die Rettungsaktion geht jedoch in die Hose, besonders deshalb, weil Penelope gar nicht entführt wurde, sondern mit einer neuen Liebe abgezogen ist.
Mia Wasikowska taucht nach einer Weile als eine Damsel auf, die sowohl mit Schusswaffen als auch mit Dynamit sich ziemlich gut gegen die Annäherungsversuche der Männer zu wehren weiß. Mit den Konventionen des Genres wollen die Zellner-Brüder spielen: dass die Frau immer nur das Objekt der Begierde im Western sei, habe sie gelangweilt, erzählen sie in der Pressekonferenz. Mia Wasikowska hingegen Freude sich, mal so eine Frauenfigur spielen zu können: „All die Erwartungen an Penelope stellen sich als Projektionen der Männer heraus. Das fand ich clever.“
Und Robert Pattinson freut sich natürlich über die Begeisterung der weiblichen Fans, die in der Kälte auf sein Erscheinen warten. All diese Begierden – so richtig Interesse für ihre Figuren, auch ihre kämpferische Heldin, können die beiden Zellner-Brüder in ihrem dahinplätschernden Western leider nicht wecken. Die Erbinnen aus Paraguay empfehlen sich jedoch als Bärenfavoriten – und machen Lust auf die nächste Zigarette.
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