AZ-Filmkritik: "Schneemann" - Kalte Nächte im rohen Norden

Michael Fassbender als Polizist Harry Hole: „Schneemann“ ist die erste Verfilmung eines Romans von Jo Nesbo.
Philipp Seidel |
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Haben viele Mord-Orte abzuklappern: Harry Hole (Michael Fassbender) und Katrine Bratt (Rebecca Ferguson).
Jack English/Universal Pictures /dpa Haben viele Mord-Orte abzuklappern: Harry Hole (Michael Fassbender) und Katrine Bratt (Rebecca Ferguson).

Michael Fassbender als Polizist Harry Hole: "Schneemann" ist die erste Verfilmung eines Romans von Jo Nesbø.

Für jede Frau, die unser Mörder umbringt, hinterlässt er einen kindlich einfach gebauten Schneemann am Tatort. Wäre dieser Film eine deutsche Klamotte aus den 70ern, würde nun der hinterbliebene Mann mit breit gemusterter Rautenkrawatte launig rufen: "Das ist doch kein schlechter Tausch." Angenehm, dass diese Zeit vorbei ist. Wir also befinden uns im Norwegen der Gegenwart. Und da gibt es – das wissen wir aus zahllosen Skandinavien-Krimis im Fernsehen – grundsätzlich wenig zu lachen. Es ist selbst am Tag immer irgendwie dunkel. Zudem schlägt der Mörder ziemlich oft zu und zwackt zudem seinen Opfern mit einem perfiden Drahtschneider den Kopf oder andere Extremitäten ab. Man sollte für diesen Film eine gewisse Freude an rohem Menschenfleisch mitbringen. Der Film ist denn auch erst ab 16 Jahren freigegeben.

"Schneemann" ist die erste Verfilmung eines der Bestseller von Jo Nesbø, der seinen kaputten Helden Harry Hole inzwischen schon elfmal in die Hölle und zurück geschickt hat. Vor einem Monat erst ist "Durst" (Ullstein) erschienen.

"Schneemann" brachte dem Autor den Durchbruch im englischen Raum

"Schneemann" ist schon zehn Jahre alt, der Roman brachte Nesbø endlich auch den Durchbruch im englischen Sprachraum, nachdem er in Europa längst ein Star war. Um den internationalen Markt zu erobern, ist die Wahl dieses Titels also weise. Harry Hole (Michael Fassbender), der einsame Wolf, der Trinker, langweilt sich – in Oslo gibt es einfach zu wenige Verbrechen. Als dann die toten Frauen, stürzt er sich dankbar auf den Fall. Seine Kollegin Katrine Bratt (Rebecca Ferguson) wuchtet stets einen grotesk großen grauen Kasten mit sich herum, mit dem man Gespräche aufzeichnen und Fingerabdrücke abgleichen kann. Das geht doch heute alles mit dem Smartphone, möchte man immer wieder rufen.

Das tut man aber nicht, weil man so beklommen im Kinosessel kauert. Es sind ja nicht nur die Morde. Hier ist vieles aus dem Ruder gelaufen: Die Familien sind alle kaputt, ein Kind hat immer diverse Männer, die es väterlich betreuen, aber nie so genau wissen, ob das nun wirklich ihr Spross ist oder nicht. Patchwork-Konzept mit Kratzern. Dass da mal irgendwann jemand durchdreht, ist verständlich.

Harry Cole als skandinavischer Schimanski

Und mittendrin in all dem Elend: Harry Hole, der skandinavische Schimanski, der immer wieder an sich selbst scheitert. Er kann die Frauen nicht an seiner Seite halten, was besonders bei Rakel Fauke, dargestellt von der selbst in skandinavischer Dunkelheit hinreißend schönen Charlotte Gainsbourg, besonders beklagenswert ist.

Wenn Norwegen mal gerade nicht finster ist, ist es wunderschön. Es gibt ein paar wahrlich atemberaubende dynamische Kameraflüge, wenn Autos über elegant geschwungene Brücken schnurren (Kamera: Dion Beebe).

Doch an der Schönheit kann man sich nie lange erfreuen, weil immer wieder neues Blut fließt. "Schneemann" ist keine klassische Täterjagd mit immer neuen Verdächtigen. Es ist eher ein Irren durch die Dunkelheit mit einem Spannungs-Knall am Ende.

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Kino: Cinemaxx, Leopold, Mathäser, Royal; Arena (OmU), Cinema, Museum-Lichtspiele (OV)
Regie: Tomas Alfredson (GB, 119 Min.)

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