AZ-Filmkritik: Final Portrait als eindrucksvolles Bild von Alberto Giacometti
Es fällt so leicht, ihn zu verklären. Diesen ungeschliffenen Kauz aus den Schweizer Bergen, der selbst im größten Erfolg nicht daran denkt, sein armseliges Atelier wenigstens gegen einen heizbaren Raum zu tauschen. Der sein Geld überall in dieser dürftigen Malhöhle an der Pariser Rue Hippolyte-Maindron versteckt hat, um es natürlich nicht mehr wieder zu finden.
Doch mit einem halbwegs komfortablen Leben kann Alberto Giacometti eben nichts anfangen. Das ist die eine Seite, die die Mythen beflügelt.
Die andere führt Geoffrey Rush nun in aller Deutlichkeit vor Augen. Fast zum Wiedergänger Giacomettis aufgeborstelt spielt er in Stanley Tuccis "Final Portrait" den ewig zweifelnden Künstler. Das wäre noch nichts Außergewöhnliches, bei Giacometti nimmt das ständige Hadern, Verwerfen und Neubeginnen allerdings zermürbende Ausmaße an. Vor allem für den jungen Schriftsteller James Lord (Armie Hammer), der sich gebauchpinselt fühlt, für ein Porträt Modell sitzen zu dürfen, und alsbald zum willfährigen Opfer wird.
Nie passt das Ergebnis, dauernd muss der smarte Amerikaner mit dem alten Haudegen erst um die Häuser ziehen, zechen, bei dessen infantil quietschender Lieblingsnutte Caroline (Clémence Poésy) vorbeischauen – um gar nicht erst im Atelier zu landen oder dort allenfalls zum Zeugen quälender Wutausbrüche zu werden. Dann flucht Giacometti so ausgiebig, bis an Arbeit nicht mehr zu denken ist, und batzt zur Beruhigung an einer seiner dürren überlängten Skulpturen herum.
Annette (Sylvie Testud), die gut 20 Jahre jüngere Ehefrau, kennt das immer gleiche Prozedere zur Genüge, und man würde ihr ganz nebenbei etwas mehr Wohnlichkeit und einen neuen Mantel wünschen – die Geliebte bekommt immerhin ein sündteures Cabriolet. Und auch Bruder Diego (Tony Shalhoub), selbst Bildhauer, weiß, dass Alberto "nur glücklich ist, wenn er verzweifelt".
Eine vertrackte Verkettung von Brillanz und Hilflosigkeit
James, der von Sitzung zu Sitzung seinen Rückflug nach New York verschieben muss, dämmert endlich die vertrackte Verkettung von Brillanz und schierer Hilflosigkeit. Warum der 63-jährige Giacometti ausgerechnet den höflichen wie kantenlosen Freund für sein letztes monochromes Porträt ausgewählt hat, wird dagegen bis zum Schluss nicht klar. Ahnte er, dass der Chronist der Pariser Moderne ihn posthum selbst porträtieren würde?
Lord hat tatsächlich eine entscheidende Biografie des grantigen Malers verfasst ("A Giacometti Portrait"), die auch die Grundlage für Tuccis eindringlichen Film bildet. Der bleibt aufregend bis zum letzten "vergeigten" Pinselstrich, schon weil Geoffrey Rush als Giacometti eine so grandiose Nervensäge ist.
Kinos: Arena, City, Münchner Freiheit, Studio Isabella,
Regie: Stanley Tucci (94 Minuten, GB/F)
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