AZ-Filmkritik: "Amelie rennt" - Die komplizierte Welt der Amelie

"Amelie rennt“: Kluger Film mit schönem Heidi-Touch: Ein Mädchen findet in den Bergen zu sich selbst
von  Lena Pauli
Bart (Samuel Geradi) trägt Amelie (Mia Kasalo) wegen ihres Asthmas den Berg hinauf.
Bart (Samuel Geradi) trägt Amelie (Mia Kasalo) wegen ihres Asthmas den Berg hinauf. © farbfilm

Die Welt wird mit jedem Tag größer, sie lockt mit neuen Möglichkeiten und Freiheiten. Doch für einen Teenager wird das Leben gleichzeitig komplizierter: Bezugspersonen ändern sich. Die Meinung der Peergroup wird entscheidend und man geht lieber im Kollektiv auf, als auf Individualität zu setzen. Und die eigenen Eltern? Die verstehen einfach gar nichts!

In dem deutschen Coming-of-Age-Film "Amelie rennt“ empfindet die Titelfigur (Mia Kasalo) ihre Eltern als genau solche "Nichtsversteher“, die mit Amelies Träumen, Zwängen und Zweifeln nichts anfangen können. Deshalb sucht sie nach Freunden als Familienersatz. Doch genau das klappt bei Amelie nicht. Als Außenseiterin kommen die falschen Freundinnen nur zu ihr nach Hause, um sich von ihr als amüsantem Freak unterhalten zu lassen. Amelie begreift das und ist verzweifelt – und wütend: auf ihr Asthma, das ihr die Teenagerzeit verhagelt.

Heidi-Flair in den Bergen Tirols

Doch je wütender sie wird, desto mehr schnürt ihr die Krankheit die Luft ab. Als sie nur knapp einen dramatischen Anfall überlebt, muss sie zur Behandlung in eine Lungenklinik. In den klarluftigen Südtiroler Bergen bekommt der Film einen klaren Heidi-Touch, wenn sich der grummelige Bergbub Bart (Samuel Girardi) der äußerlich zarten, aber durchsetzungsstarken Großstadt-Göre annimmt.

Die sehr unterschiedlichen Jugendlichen begeben sich unter dialogwitzigen Kabbeleien auf eine klassisch erzählte, wunderbar ergreifende Abenteuerreise zum Wunder-Gipfel, wo die Bergluft Amelie am Ende frei macht.

Mit großem Einfühlungsvermögen in die Sehnsüchte seiner Protagonisten inszeniert Tobias Wiemann die beiden großartigen Nachwuchstalente auf ihrer jugendlichen Sinn- und Selbstsuche.

Im Happy End erkennen die geschiedenen Eltern (Nebenrollen: Susanne Bormann und Denis Moschitto), dass es ein Fehler war, dem Mädchen aus lauter Sorge die gefährliche Reise zu sich selbst zu verweigern. Denn mit ihren Sinnsprüchlein über den Wert von Individualität kommen Erwachsene bei Teenagern nun mal nicht weit – egal ob die Asthma haben oder nicht.


Regie: Tobias Wiemann (D 97 Min.)
Kinos: Mathäser, Monopol, Rio

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