Avatar: Die neue Lust am Risiko
München - Mitte September in München. Großer Andrang im Mathäser Filmpalast. Oscarpreisträger Jon Landau ist vor Ort, um die Werbetrommel zu rühren. Für einen Film, der zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht fertig ist und aus dem nur wenige Szenen gezeigt werden können. Und dennoch ist die Aufregung um ein paar Filmschnipsel nachvollziehbar. Denn immerhin handelt es sich dabei um die Fortsetzung von "Avatar", dem mit einem Einspiel von fast drei Milliarden US-Dollar erfolgreichsten Film der Filmgeschichte. Die Frage bleibt, ob "Avatar: The Way of Water" 13 Jahre nach dem Superhit wieder einschlagen wird und das Corona geplagte Kinogeschäft wenigstens kurzzeitig ankurbeln kann. Landau jedenfalls wirkt zuversichtlich, als er in München Hof hält.

AZ: Mr. Landau, unter der Bezeichnung Produzent versteht gefühlt jeder etwas anderes. Was ist denn genau ihre Rolle in der Zusammenarbeit mit dem Regisseur James Cameron?
JON LANDAU: Ich sehe mich in erster Linie als Präsident einer Firma. Und jeder Film, der gemacht wird, ist für mich wie ein Startup-Unternehmen. Denn ich muss immer von Neuem wieder bei Null anfangen. Und während andere Unternehmen Techniker anheuern, engagiere ich eben Produktions-Designer. Letztlich steuere ich den ganzen Prozess des Filmemachens, vom Konzept bis nach Ende der Dreharbeiten und versuche dabei Jims Träume in die Realität umzusetzen und ihm auf diesem Weg aber auch immer wieder andere Möglichkeiten aufzuzeigen.
Motion-Capture-Verfahren: Spiel mit digitalem Gegenüber
Sie loten immer wieder neue Grenzen im Filmemachen aus. Was sind die Neuerungen in "Avatar: The Way of Water"?
Im Vergleich zum ersten Teil haben wir bei der Gesichtserkennung, dem Motion-Capture-Verfahren, einen gewaltigen Sprung gemacht. Diese Möglichkeiten machen das Zusammenspiel zwischen echten Schauspielern und computeranimierten Charakteren ungleich geschmeidiger und glaubwürdiger. Die Zeiten, als man mit einem Tennisball interagieren musste sind mit den neuen Verfahren, bei denen man die Reaktionen seines animierten Gegenübers live auf dem Monitor verfolgen kann, vorbei.
Kate Winslet als Star am Set
Kate Winslet war einst nicht gerade glücklich mit den harten "Titanic"-Dreharbeiten. Wie haben Sie die Oscarpreisträgerin von einer erneuten Zusammenarbeit überzeugt?
Als Kate mit uns "Titanic" gedreht hat, stand sie noch am Anfang ihrer Karriere, war ziemlich jung und unerfahren. Nun aber haben wir eine ganz andere Kate Winslet kennengelernt, gefühlvoll, erfahren, in sich ruhend, mit großer Lust an neuen Herausforderungen. Und sie ist anstandslos quasi in ihre Rolle eingetaucht, hat die Sprache der Na'vi gelernt und das Tauchen so intensiv trainiert, dass sie ihren Atem über sechs Minuten und 50 Sekunden anhalten konnte. Überhaupt muss man sagen, dass ich mich an keine andere Produktion erinnern kann, in der Schauspieler und Schauspielerinnen so an ihre physischen Grenzen gehen mussten. Denn immerhin mussten sie über Wochen unter Wasser dramatische Leistungen abliefern, ohne überhaupt atmen zu können.

Abseits der technischen Innovationen und der physischen Extremleistungen - was für inhaltliche Reize wollten Sie mit dieser Fortsetzung setzen
Da komme ich gleich wieder auf Kate Winslet zurück, die sich als Mutter besonders mit unserer Auseinandersetzung mit dem Thema Familie und der Frage, was sie heutzutage überhaupt ausmacht, identifizieren konnte. Ganz wichtig war uns aber auch die Hauptfiguren als Flüchtlinge zu zeigen, die ihre eigene Heimat verlassen müssen und am Ende bei einem Clan unterkommen, der sich von ihnen nicht nur äußerlich völlig unterscheidet, sondern auch eine ganz andere Kultur pflegt. Ein Thema, das aktueller wohl kaum sein könnte.
Zeitgemäße Botschaft
In seinem starken Plädoyer für eine friedliche Koexistenz der Na'vi mit der Natur setzt der Film auch ein deutliches Zeichen gegen den Raubbau der Menschen an der Umwelt.
Um mit einem Film möglichst viele Zuschauer zu erreichen, muss man die Gefühlsebene ansprechen. Und wir benutzen diese exotische Welt von Pandora nun mal als Metapher für den kritischen Zustand auf unserer Erde. Beispielhaft dafür ist die Szene mit Lo'ak, der in seiner Freude beim Spiel mit einem riesigen walartigen Tulkun gar nicht bemerkt, dass dieser von Menschenhand verletzt wurde. Als Lo'ak das Leid des Tiers endlich erkennt, ist das erste, was er macht eine Geste mit seiner Hand. Und die besagt: "Es tut mir leid". Und dann schwimmt dieser Riese an die Wasseroberfläche und streckt als Antwort seine Flosse in die Höhe. Das sagt doch eigentlich alles aus.
"Es steht und fällt mit der Mundpropaganda"
Was gibt Ihnen die Hoffnung, dass die Menschen nach den schwierigen letzten beiden Jahren für "Avatar" wieder zurück in die Kinos strömen?
Natürlich birgt unser Film ein großes Risiko, aber wer garantiert einem schon Erfolg? Was mir Hoffnung macht, sind die ersten enthusiastischen Zuschauerreaktionen. Ich will jetzt aber niemandem vorschreiben, in welcher Form er den Film ansehen will - ob in 3D oder eben nicht. Viel wichtiger ist am Ende die Mundpropaganda. In der heutigen Zeit, mit der Macht der Sozialen Medien, spricht sich schnell herum, wie und wo man einen Film sehen sollte. Und das wird bei "Avatar: The Way of Water" auch nicht anders sein.
Was wünschen sie sich nach dem Kinobesuch für eine Zuschauerreaktion?
Ich fände es schön, wenn man danach seine Familie umarmt. Ganz egal, ob es sich dabei um die eigene biologische Familie oder den erweiterten Familienkreis handelt. Außerdem würde ich mich freuen, wenn man die Menschen in seiner Umgebung mehr anerkennt. Wie es eben auch im Film heißt: "Ich sehe dich!" Und damit ist weit mehr als der äußere Anschein gemeint.
"Avatar: The Way of Water" startet am 14. Dezember weltweit in den Kinos.
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