Aus nächster Distanz in der AZ-Filmkritik

"Aus nächster Distanz": Zwei Agentinnen aus verschiedenen Welten, eingesperrt in eine düstere Wohnung.
von  Margret Köhler
Naomi (Neta Riskin) und Mona ( Golshifteh Farahani).
Naomi (Neta Riskin) und Mona ( Golshifteh Farahani). © NFP/Filmwelt

Drei einfache Regeln soll die libanesische Informantin Mona befolgen: nicht die Wohnung verlassen, nicht die Tür öffnen, sich Tag und Nacht vom Fenster fernhalten. Nach einer Gesichtsoperation muss sie sich zwei Wochen in einer düsteren Hamburger Wohnung aufhalten, bis sie mit neuer Identität nach Kanada ausreisen kann.

"Beschützt" wird sie von der israelischen Mossad-Agentin Naomi. Zwei Fremde unter Decknamen, die sich nicht kennen, misstrauisch beobachten, in der Not zusammenschließen und in aller Distanz und Gegensätzlichkeit so etwas wie Freundschaft versuchen. Die wird auf eine harte Probe gestellt. Denn Sicherheit ist eine Chimäre, sie können niemandem trauen, ein Alptraum erwartet sie.

Eran Riklis stellt nach "Die syrische Braut", "Lemon Tree" oder "Mein Herz tanzt" auch in seinem zwölften Film starke Frauen in den Fokus, die sich nicht scheuen, Schwächen zu offenbaren. Sie sind der emotionale Kern und die Triebkraft in einem Film, der das Publikum auf persönlicher Ebene mit dem Konflikt im Nahen Osten konfrontiert - diesmal mit einem nicht ganz gelungenen Mix aus klaustrophobischem Kammerspiel, hartem Politthriller und bewegendem Drama.

Traumata, Sehnsüchte und psychische Verletzungen

Beide Frauen leiden unter Traumata, Sehnsüchten, psychischen Verletzungen. Sie sind nicht nur taffe Agentinnen, sondern Frauen mit ihren spezifischen Problemen, die in intimer Atmosphäre Geheimnisse von sich preisgeben: Mona vermisst ihren kleinen Sohn, den sie zurücklassen musste, Naomi träumt davon, endlich schwanger zu werden. Gemeinsam wehren sie sich gegen Gefahr von außen, gegen konkurrierende Geheimdienste und die Hisbollah, gegen Hochverrat und Illoyalität.

Als Basis diente Riklas die Kurzgeschichte "The Link" der Autorin Shulamith Hareven, die den Text unter dem Pseudonym einer Ex-Mossad-Agentin geschrieben hatte. Trotz Klischees und streckenweise eindimensionaler Zeichnung weiblicher Typologien - hier die sachlich orientierte Naomi, dort die orientalisch überbordende Mona, die eine in neutralem Grau, die andere in verführerischem Rot - folgt man den fantastischen Darstellerinnen Neta Riskin und Golshifteh Farahani gern auf ihrer Reise durch seelische und politische Abgründe. 


Kinos: Atelier, Monopol (auch OmU) R: Eran Riklis (D, ISR, F, 93 Min.)

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