Kritik

"Air – Der große Wurf" im Kino: Goldjunge, Geld und Gerechtigkeit

"Air – Der große Wurf" von und mit Ben Affleck zeigt mit Matt Damon als Talentscout von Nike in den 80ern den Beginn des radikalen Kapitalismus im Spitzensport.
Adrian Prechtel
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Matt Damon als Sonny, der elegant, ehrlich und trotzdem wie ein Fuchs versucht, die Mutter (Viola Davis) von Baketball-Star Michael Jordan von einem Vertrag mit der damaligen Außenseiterfirma Nike zu überzeugen.
Matt Damon als Sonny, der elegant, ehrlich und trotzdem wie ein Fuchs versucht, die Mutter (Viola Davis) von Baketball-Star Michael Jordan von einem Vertrag mit der damaligen Außenseiterfirma Nike zu überzeugen. © Ana Carballosa/Prime Video

Am Anfang steht eine Art Konfetti-Regen an Filmbildern, die uns – zum Sound der damaligen Popmusik – assoziativ zurück katapultieren in das Jahr 1984: Föhnfrisuren, Breakdance, Popkultur-Utensilien. Aber aus dem Off läuft immer wieder eine akustische Welle von begeisterter Stadion-Atmosphäre durch den Kinosaal –  denn es geht ums Basketballfieber in den USA.

Der Ursprung von Nike: Nur vier Buchstaben sind am besten!

Matt Damon ist hier ein leidenschaftlicher Kenner und Sportwettenfreak – allerdings auch aus geschäftlichem Interesse. Denn dieser Sonny ist Talentscout für die Sportausstatterfirma Nike in Beaverton, Oregon. Und als einer der eingestreuten Witze erfahren wir natürlich, dass der Name von der griechischen Siegesgöttin stammt, was 1971 den Firmengründern aber unbekannt war – oder zumindest egal.

Werbe-Ikone Michael Jordan: "Er trägt den Schuh nicht, er ist der Schuh"

"Nike" war von einer Marketingberatungsagentur vorgeschlagen worden mit dem Argument: Nur vier Buchstaben sind am besten! Überhaupt ist Ben Afflecks Film ein knapp zweistündiges Biopic einer Firma, die den amerikanischen Traum verwirklicht. Denn Sonny kann den noch nicht zum Weltstar gereiften, aber bereits begehrten Werbeträger, Michael Jordan an die Firma binden – und zwar gegen jede Wahrscheinlichkeit und gegen Widerstand mancher Vorgesetzter.

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Der Clou, den Sonny und der Chef-Designer dabei aushecken: Nicht ein Sportler trägt einen Schuh als Werbeträger, sondern ein Schuh wird für den Sportler geschaffen: "Er trägt den Schuh nicht, er ist der Schuh." Und so heißt dann auch die neue Linie "Air Jordan" in Anspielung auf die spektakulären "Flüge" zum Korb von Michael "Air" Jordan, ironisch bewundernd genannt "His Airness".

Nike: Die zunächst stärkeren Konkurrenten heißen Converse und Adidas

Als deutscher Zuschauer dieses filmischen Lehrbuchs des US-Kapitalismus gibt es einen besonderen Gag: Denn die – letztlich überflügelten – stärkeren Konkurrenzfirmen heißen Converse (zu glatt) und: Adidas. Aber als Michael Jordan nach Deutschland zu Vertragsverhandlungen fliegt, lastet auf dem fränkischen Konzern die braune Vergangenheit Adolf Dasslers und im Konferenzsaal stehen Sportlerfiguren, die Arnold-Breker und Leni-Riefenstahl-Assoziation auslösen.

Also nichts für einen "good american Boy", wie den 18-jährige Michael Jordan, der unter der Fuchtel seiner klugen, ehrgeizigen Mutter (Viola Davis) steht. Sie ist es hier auch, die eine Zeitenwende der Sportler-Vermarktung durchsetzt: die Umsatzbeteiligung des Sportlers an Produkten, für die er der Werbeträger ist. Was im Falle Jordan sowohl Nike als auch den Jordans eine Milliardensumme einbringen wird.

Etwas rassenblindere Ikonisierung von erfolgreichen Farbigen im Sport

Im Zentrum von "Air – Der große Wurf" steht der hier gefeierte Punkt der kompletten Durchkapitalisierung des Spitzensports – wenigsten nicht mehr unter Ausbeutung der Sportler selbst. Und so erlebt man auch die erstmals etwas rassenblindere Ikonisierung von erfolgreichen Farbigen im Sport (die parallel auch in der Popmusik einsetzte).

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Überhaupt kommen in dem historisch vorgegebenen "weißen Männer"-Film Schwarze in Form der Familie Jordan auf Augenhöhe mit den Managern des Konzerns vor. Mit dem subtilen Witz, dass Michael Jordan, um den sich alles dreht, im Film kein einziges Wort spricht, außer "Hallo" am Telefon.

"Air – Der große Wurf": Erfolg hat hier auch seinen psychischen Preis

"Air – Der große Wurf" ist ein klassischer Hollywoodfilm, hinter dessen lehrbuchartiger Dramaturgie nur kleine Widerhaken dem Film leichten Wert verschaffen. Denn wenigstens sind die Macher-Figuren nicht allzu glatt. Erfolg hat hier eben auch seinen psychischen Preis.

Alle sind dadurch, dass sie ihr Leben dem kapitalistischen Erfolg verschrieben haben, zumindest leicht deformiert: im Falle des untersetzten Sonnys und des Agenten von Michael Jordans (Chris Messina) durch Einsamkeit, im Falle höherer Chefetagen durch Statussymbol-Fixiertheit. Die Figur des Abteilungsleiters, die Regisseur Ben Affleck selbst ironisch spielt, wiederum kompensiert die materialistische Leere durch buddhistische Manieriertheiten, fährt aber einen 17-Schicht-lackierten "traubenfarbenen" 911er Porsche. Wie der rote Mercedes-Sportwagen 380 SL, den sich Michael Jordan kindlich als Extra wünscht. Das sind dann doch ein paar Grüße an die Verlockung "Made in Germany".


Kino: Cadillac, Leopold, Rex sowie Monopol (OmU), City (auch OmU) und Cinema, Museum (OV), Regie: Ben Affleck (USA, 112 Minuten)

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