Kritik

„After the Hunt“ mit Julia Roberts und Andrew Garfield

Im Zweifel für den Beschuldigten? Ein Drama, das uns nach Haltung und Wahrheit suchen lässt.
von  Margret Köhler
Beschuldigt: Andrew Garfield as Hank und Julia Roberts als befreundete Professorin Alma .
Beschuldigt: Andrew Garfield as Hank und Julia Roberts als befreundete Professorin Alma . © Sony / Amazon / MGM Studios

„Es geschah in Yale“ steht es vor Beginn des Films wie ein Menetekel auf der Leinwand. Was geschah also in der renommierten Elite-Uni? Nach einem gemütlichen Abend mit akademischem Geplänkel über Ethik in der Gesellschaft bei Philosophieprofessorin Alma Olsson (Julia Roberts) folgt am nächsten Tag der Schock. Die schwarze Studentin Maggie (Ayo Edebiri) vertraut sich ihrer Mentorin an: Deren Kollege und guter Freund Hank begleitete sie nach dem Dinner zu später Stunde nach Hause, in ihrer Wohnung soll es nach einem Absacker zu einem sexuellen Übergriff gekommen sein. „Er hat eine Grenze überschritten“, so der Vorwurf. Auftakt zu einem Skandal, der die Universität erschüttert und Gräben aufreißt.

Julia Roberts posiert für Fotografen auf dem roten Teppich während der 82. Ausgabe der Filmfestspiele von Venedig.
Julia Roberts posiert für Fotografen auf dem roten Teppich während der 82. Ausgabe der Filmfestspiele von Venedig. © picture alliance/dpa/Invision

Der Beschuldigte wehrt sich, vermutet einen Racheakt der jungen Frau, weil er sie mit Plagiaten in ihrer Doktorarbeit konfrontiert habe. Es steht Aussage gegen Aussage. Die Konsequenz: der Mann verliert Job und Freunde, ist gesellschaftlich ruiniert.

Regisseur Luca Guadagnino („Call me by your Name“, „Queer“) wagt sich in dialogintensiven Szenen in eine Grauzone und legt den Finger auf einen wunden Punkt: den Kampf um Wahrheit und Lüge, das feige Stillschweigen, das Vertuschen, vielleicht ein unterschwelliger Rassismus: „Eine Schwarze wird genötigt und die Weißen schweigen“, klagt Maggie, die auf Unterstützung von der befreundeten Professorin Alma gehofft hatte und über deren Zurückhaltung enttäuscht ist.

Warum verteidigt die Professorin nicht die Studentin

Die steht selbst erst kurz vor der Festanstellung und möchte diese durch eine wie immer geartete Parteinahme nicht riskieren, wirft der jungen Frau sogar - politisch unkorrekt - ihre nicht-binäre Beziehung vor. Außerdem gehe es nicht immer ums „Wohlfühlen“: ein Hinweis auf die „Safe spaces“ die Studierende schützen sollten und seit Beginn der zweiten Amtszeit von Präsident Donald Trump sukzessive in republikanischen Staaten geschlossen werden.

Foucault, Heidegger oder Adorno?

Und immer wieder geht es um Macht und Ehrgeiz im intellektuellen Milieu. Die innere Widersprüchlichkeit der vielschichtigen Figuren bestimmt die Handlung. Immer wieder zieht Guadagnino in Gesprächen den Bogen zu Philosophen wie Foucault, Heidegger oder Adorno, stellt auf unterschiedlichen Ebenen die Frage nach Schuld und Unschuld, nach Moral und Verantwortung.

Julia Roberts als Alma and Andrew Garfield als Hank.
Julia Roberts als Alma and Andrew Garfield als Hank. © Sony /Amazon MGM Studios

Eines ist gewiss: Die seelischen Verletzungen bleiben. Und auch die empathische Alma verbirgt ein dunkles Geheimnis aus der Vergangenheit, das ihre Skepsis und Distanz erklärt. Aber ist es gerechtfertigt, einen Mann per se als Täter zu sehen, seine Existenz zu zerstören, auch wenn es an Beweisen fehlt? Zwar wird dieser Hank gegen Ende als sexuell unbeherrschter Kerl gezeigt, aber der Film liefert keine einfachen Antworten, hinterlässt ein bewusst vom Regisseur gewecktes „ungutes“ Gefühl. Und das führt nach diesem psychologisch spannenden und durch seine Ambivalenz sehr brisanten Drama zu Debatten.

K: Mathäser, Leopold sowie Museum (OV)
R: Luca Guadagnino (USA, 139 Min.)

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