"A War" - Verständnis, nicht Verurteilung
München - Tobias Lindholms dritter Kinofilm „A War“ handelt von einem dänischen Kommandanten, der beim Kampfeinsatz gegen die Taliban in Afghanistan eine folgenschwere Entscheidung trifft und sich in der Heimat wegen Tötung von Zivilisten verantworten muss. Für den dänischen Regisseur geht es um das moralische Dilemma eines jeden Krieges, um Verständnis für den Einzelnen in einer Ausnahmesituation, nicht um dessen Verurteilung.
Der Däne Tobias Lindholm ist seit 2008 als Drehbuchautor und Regisseur aktiv. „A War“ war als bester fremdsprachiger Film für den Oscar nominiert.
AZ: Herr Lindholm, Ihr Blick auf den Afghanistankrieg unterscheidet sich sehr von dem, was wir oft von Kriegsfilmen gewohnt sind. Sie vermeiden blutige Szenen.
TOBIAS LINDHOLM: Die haben wir schon zu oft gesehen. Wir müssen neue Antworten in der Debatte über einen jeden Krieg finden. Die Frage „bist du für oder gegen diesen Krieg“, bringt nichts. Wir sollten über die Komplexität der heutigen Welt reden und versuchen, den anderen zu verstehen. Leider ist dieser Diskurs in Europa obsolet. Wir neigen zur Vereinfachung, alles muss in den ideologischen Kram passen. Ich möchte den Dialog wieder in Gang bringen.
Was steckt hinter der Filmidee?
Ich will mich am wahren Leben orientieren. Ein dänischer Offizier hat vor seinem dritten Afghanistan-Einsatz öffentlich gesagt, er habe weniger Angst vor den dortigen Attacken, als bei Rückkehr vor Gericht zu landen. Das war Basis dieses Dramas über das moralische Dilemma eines Familienvaters, der als Soldat wegen eines Kriegsverbrechens angeklagt wird, weil er - um seine Männer zu schützen - falsch reagierte und dabei den Tod Unschuldiger in Kauf nahm.
Die dänischen Soldaten wurden in eine Falle gelockt. Ist die Über-Reaktion nicht verständlich?
Soldaten werden bei der Ausbildung auch darauf getrimmt, ihren Kameraden zu helfen. Ohne über Kommandant Pedersen zu urteilen, kann ich sein Verhalten nachvollziehen. Ich würde nicht zögern, meinen älteren Bruder aus größter Not zu retten. Unter Stress fällt man oft falsche Entscheidungen. Und man kann jede Geschichte aus einem anderen Blickwinkel erzählen, hier geht es um Verständnis, nicht Verurteilung. Natürlich ist der Tod von elf Zivilisten schrecklich. Aber wer werfe den ersten Stein?
Lesen Sie hier: Die AZ-Filmkritik zu "A war"
Geht es bei der Gerichtsverhandlung mehr um Recht oder mehr um Prinzipien?
Unsere Politiker schicken sehr junge Soldaten im Namen der Demokratie in einen gefährlichen Einsatz und fabrizieren danach Gesetze ohne zu wissen, was da wirklich los ist. Im Gerichtssaal geht es nicht um Moral, nur um Beweise.
Bei den Soldaten gibt es nur drei Profi-Schauspieler, der Rest sind echte Soldaten.
Schauspieler sind keine guten Soldaten, schon von der Bewegung her. Deshalb habe ich lieber Veteranen aus dem Afghanistan-Einsatz engagiert, die Bescheid wissen. Außerdem verschafften sie mir Einblick in die militärische Logik, was den Film sehr realistisch macht.
Und der Realismus bei den Afghanen?
Es war nicht einfach, diese Leute zu finden. Viele sind selbst vor den Taliban geflohen, auch wenn sie vielleicht vorher auf deren Seite gekämpft haben. Weniger aus Überzeugung, als um zu überleben. In der Türkei, nahe der syrischen Grenze, habe ich einige der Protagonisten gefunden und mir ihre Geschichten angehört.
Hauptdarsteller Pilou Asbæk und Sie haben Angebote aus Hollywood. Stehen Sie schon in den Startlöchern?
Pilou traue ich eine große internationale Karriere zu. Wenn ich in Hollywood meine Drehbücher mit eigenen Themen verfilmen kann und man mir künstlerische Kontrolle und Final Cut überlässt, bin ich dabei. Aber ich muss mein Leben deswegen nicht auf den Kopf stellen. Ich fühle mich in Dänemark wohl.
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