"A Hero" neu im Kino: Wahrheit ist hier Gold wert

Eine Totale über eine riesige Felsformation, davor Menschen klein und unscheinbar. Ein bildhaftes Symbol für den Wert eines Menschen in einem übermächtigen System. Das zeigt hier sein hässliches Gesicht.
Wenn rigide Moralvorstellungen das Leben des Einzelnen überschatten
Der Iraner Asghar Farhadi, der sich im Gegensatz zu Regiekollegen wie Jafar Panahi und Mohammad Rasulof, nicht als politischer Filmemacher versteht, verzichtet auf konkrete Provokationen, liefert Bestandsaufnahmen, lässt Brüche in der Gemeinschaft ahnen.
So zeichnet er in seinem neuen Drama "Die verlorene Ehre des Herrn Soltani" den Alltag in einem Land, in dem Ehre und Vertrauen traditionell eine große Rolle spielen und rigide Moralvorstellungen das Leben des Einzelnen überschatten, kleine Freiheiten nur im Geheimen möglich sind.
Aus einer Notlüge wachsen Widersprüche und Missverständnisse
Da trifft Rahim Soltani (Amir Jadidi), der im Gefängnis sitzt, weil er seine Schulden nicht bezahlen kann, während des zweitägigen Hafturlaubs heimlich seine Freundin (Sarina Farhadis), für eine unverheiratete Frau im Mullah-Staat sehr riskant.
Als die Freundin eine Tasche mit wertvollen Goldmünzen findet, wollen beide spontan den Schatz gegen Bares bei einem Käufer tauschen. Dann wäre Rahim seine Sorgen los, könnte seinen Gläubiger auszahlen und damit seine Strafe verkürzen, endlich heiraten.
Doch dann rührt sich sein schlechtes Gewissen. Nach einem Aushang im Stadtviertel meldet sich die Besitzerin und holt die Tasche ab, hinterlässt weder Namen noch Adresse. Die Nachricht von der guten Tat geht wie ein Lauffeuer durch die Medien, Soltani ist der Held des Tages. Um seine Freundin zu schützen, gibt er sich selbst als der Finder aus. Aus der Notlüge wachsen Widersprüche und Missverständnisse, es folgt der tiefe Fall und soziale Ächtung.
Alle Figuren machen Fehler, am Ende ist sich jeder selbst der Nächste
Wie so oft bei Farhadi sorgen Nebensächlichkeiten für eine Lawine des Unheils. Sukzessive zeigt er, wie sich das Netz immer enger zieht und Rahim zum Spielball verschiedener Interessen wird. Dabei gewährt er Einblick in Familienstrukturen und deren stabile Solidarität, die trotz aller Unterdrückung im Mullah-Staat das Überleben etwas erträglicher macht.
Es gibt keine Schuldzuweisungen, jeder der Beteiligten hat seine Gründe, der unerbittliche um sein Geld besorgte Gläubiger, wie der Gefängnisdirektor, der von Rahims Ruhm profitieren möchte, die Wohltätigkeitsorganisation, die mit seinem Namen Geld einsammelt. Moral gilt nur da, wo sie dem Einzelnen nützt. Alle Figuren machen Fehler, am Ende ist sich jeder selbst der Nächste.
Der zweimalige Oscarpreisträger ("Nader und Simin - Eine Trennung" 2012 und "The Salesman" 2017) beweist ein weiteres Mal seine filmische Kraft als Regisseur und Chronist und seine ungebrochene Unbestechlichkeit in der Skizzierung der iranischen Gesellschaft und den dortigen Vormarsch sozialer Medien, die schnell Heldenbilder schaffen, um sie dann ebenso schnell zu zerstören.
Kino: ABC, City sowie Arena (auch OmU) - R: Asghar Farhadi (IR,F, 128 Min.)