„24 Wochen“: Im Zwiespalt der Erwartungen

„24 Wochen“ erzählt von einem Paar, das ein behindertes Kind zur Welt bringen wird und der Frage ob sie es behalten sollen oder eben nicht.
Margret Köhler |
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Auf der Bühne sagt sie immer, man muss zu seiner Haltung stehen: Die erfolgreiche Kabarettistin Astrid (Julia Jentsch) ringt mit ihrem Gewissen.
dpa Auf der Bühne sagt sie immer, man muss zu seiner Haltung stehen: Die erfolgreiche Kabarettistin Astrid (Julia Jentsch) ringt mit ihrem Gewissen.

„Fällt Ihnen etwas auf?“, fragt die erfolgreiche Kabarettistin Astrid neckisch auf der Bühne und streckt ihren kugelrunden Bauch vor. „Genau, ich trage neue Schuhe.“ Das kommt beim Publikum an, und die werdende Mutter ist ganz in ihrem Element. Sie freut sich auf das zweite Kind, alles läuft wie am Schnürchen: Der Ehemann vergöttert sie, das Töchterchen ist gut geraten, ein Kindermädchen werkelt im Haus, die Mutter springt ein, wenn es notwendig ist, und Faulenzen in der Hängematte bringt Entspannung.

Das Kind wird Trisomie 21 haben

Fast könnte man meinen: das Klischee einer glücklichen Familie. Dann der Schock beim Ultraschall: Das Baby wird Trisomie 21 haben. Ein Kind mit Downsyndrom? Die Eltern wollen es trotzdem, stützen einander: „Wir kriegen das hin.“ Doch es kommt noch schlimmer, als der Arzt zusätzlich einen schweren Herzfehler diagnostiziert, der schwierige Operationen nach der Geburt erfordert. Ausgang ungewiss.

Abtreibung ja oder nein? Über diese fundamentale Frage entsteht zwischen dem Paar ein tiefer Konflikt. Ein Konflikt, bei dem 90 Prozent der Frauen in Deutschland einem Schwangerschaftsabbruch zustimmen, wenn sie nach dem dritten Monat von der Fehlbildung des Kindes erfahren.

Der Kloß im Hals bleibt

Anne Zohra Berrached baut sukzessive die emotionale Spannung auf, von der anfänglich noch optimistischen Haltung bis zum tiefen Schmerz. Berührend, aber nie rührselig. Erst scherzt der werdende Vater noch locker, ob man „Mongo“ sagen darf oder nicht, dann wird es ernst. Familie und Freunde zeigen sich gespalten, die Entscheidung hängt an der jungen Frau. Die Wahrhaftigkeit des Ringens um die „richtige“ Entscheidung wird begleitet von Gesprächen mit echten Pränataldiaganostikern, Hebamme, Beraterin, Chirurg, was der Handlung beklemmende Glaubwürdigkeit verleiht.

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Es gibt keine das Gewissen beruhigende Lösung, auch wenn Astrid die Verantwortung auf sich nimmt. Trauer und Schuldgefühle bleiben. Das Drama rollt in sehr intensiven Dialogen das moralische Dilemma auf, fordert eine ehrliche Diskussion heraus, urteilt aber nicht. Und es legt Wert auf Nähe und Authentizität. Wunderbar Markus Häger als hilfloser Partner und eine Julia Jentsch – selbstbewusst und fragil – als Mutter, die verzweifelt ihren moralischen Kompass sucht und innerlich fast zerbricht, wenn die Kaliumchloridspritze das Ende eines Lebens einleitet. Dieser Film tut weh in seiner Rigorosität und geht unter die Haut. Das Kino verlässt man mit einem Kloß im Hals.


Kino: Eldorado, Monopol, Studio Isabella R: Anne Berrached (D 103 Min.)

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