Katrin Müller-Hohenstein: „Die Armut trifft einen ins Herz“
Katrin Müller-Hohenstein war für die Welthungerhilfe in Laos. Im ZDF-Quiz „Gut zu wissen“ sammelt sie heute Geld. Im Interview spricht die 44-jährige Moderatorin vom "Aktuellen Sportstudio" über ihre Reise, Glück, Ehrgeiz und Robert Enke
Markus Lanz lädt zum ZDF-Quiz „Gut zu wissen“. Gemeinsam mit Barbara Hahlweg, Wolfgang Niedecken, Andy Borg, Ralf Schumacher und Andrea Kiewel beantwortet ZDF-Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein Fragen für einen guten Zweck. Die 44-Jährige ist vorab in ein Einsatzgebiet der Welthungerhilfe gereist.
AZ: Frau Müller-Hohenstein, Sie waren in Laos. Was haben Sie dort erlebt?
KATRIN MÜLLER-HOHENSTEIN: Um es auf einen Nenner zu bringen: Es war schrecklich schön. Es ist ein schönes Land, aber es ist ganz schrecklich da. Man kann sich Armut zwar theoretisch vorstellen, wenn man sie dann aber vor Ort erlebt, trifft sie einen mitten ins Herz.
Konnten Sie auch mit einzelnen Menschen sprechen?
Ja, wir waren in zwei Dörfern. In dem einen war die Welthungerhilfe schon aktiv. Dort habe ich eine Mutter von zwei Kindern kennengelernt, die mittlerweile eine eigene Fischzucht hat und Reisfelder. In dem anderen Dorf habe ich eine Frau mit sechs Kindern getroffen. Ihr jüngstes Kind musste sie abgeben, auch weil ihr Mann seit einem Unfall auf dem Feld krank ist. Diese Familie hat überhaupt nichts zu essen, außer Bambus und Farn aus dem Wald.
Was ist das Dringendste, was das Dorf braucht?
Als Erstes soll ein vernünftiger Wasseranschluss gelegt werden. Bisher holen die Frauen das Wasser aus einem total verseuchten Fluss. Die Welthungerhilfe betreibt Hilfe zur Selbsthilfe. Da werden keine Essenspakete verteilt, sondern zum Beispiel eine neue Reissorte. Man setzt da vor allem bei den Frauen an.
Warum?
Ich kann das nicht näher begründen, aber es ist wohl so, dass Frauen das Geld eher zusammen halten und vernünftig einsetzen. Gibt man es den Männern, hat die Erfahrung wohl gelehrt, dass das Geld manchmal auch schnell wieder weg ist.
Verändert sich mit solch’ einer Reise auch die Sicht auf das eigenen Leben?
Es passiert schon mal, dass ich in Momenten, die nicht so glücklich sind, an die arme Frau mit ihren sechs Kindern denke. Nicht immer, aber immer mal wieder. Und dann mit einem Gefühl, das mir hautnah geht. Man kann über das Elend in der Welt so viel lesen wie man will, wenn man es aber nicht gesehen hat, weiß man nicht, wovon man spricht. Man spürt die Traurigkeit in der Luft, die die Menschen ausstrahlen, obwohl sie so tapfer sind. Im Prinzip müsste jeder mal hinfahren.
Es gibt ein Bild, auf dem Sie mit Kindern Fußbal spielenl. Haben Sie die beeindrucken können?
Nein, überhaupt nicht. Die haben wir mit dem Ball beeindruckt, den wir mitgebracht haben. Ich bin mir nicht sicher, ob die Kinder vorher jemals einen Ball gesehen haben. Vor dem Fußball sind sie erst einmal andächtig gesessen und haben sich gar nicht getraut, ihn anzufassen.
Müller-Hohenstein: "Man schämt sich ein bisschen für sein eigenes Glück"
Fühlt man sich unwohl, wenn man auf so viel Armut trifft?
Unwohl ist vielleicht nicht das richtige Wort. Aber ja, da ist schon ein schlechtes Gewissen. Man weiß, dass man für das Schicksal dieser Menschen nichts kann. Aber man schämt sich so ein bisschen für sein eigenes Glück.
Sie sagten einmal, Sie sind überhaupt nicht ehrgeizig. Schwer vorstellbar angesichts dessen, war Sie erreicht haben.
Ist aber so. Ich staune nach wie vor. Ehrgeiz hat immer etwas mit dem Erreichen eines bestimmten Ziels zu tun. Ich hatte aber nie ein Ziel. Ich habe einfach immer weiter gemacht. Ehrgeiz hat auch damit etwas zu tun, wie leicht man wieder loslassen könnte. Und Sie werden es nicht glauben, ich könnte morgen jeden anderen Job der Welt machen.
Wirklich?
Vielleicht nicht jeden. Aber viele andere, und ich wäre genau so glücklich. Ich bin dankbar dafür, dass ich das machen kann, was ich mache. Aber ich definiere mich nicht darüber. Ich bin in anderen Dingen ehrgeizig. Ich möchte ein glückliches und gut erzogenes Kind haben und mich mit meiner Familie und meinen Freunden gut verstehen.
Wie sehr hat Sie die Nachricht von Robert Enkes Tod getroffen?
Sehr. Ich habe in dem Vermächtnis, dass er hinterlassen hat, viele Dinge wiedererkannt.
Wie meinen Sie das?
Das Thema Leistungsdruck ist ja nichts, was nur Sportler betrifft. Ich glaube, das geht viele Menschen an.
Weil wir in einer Leistungsgesellschaft leben?
Ja! „Denkt auch an das, was im Menschen ist, an Zweifel und an Schwächen. Fußball ist nicht alles“, hat DFB-Präsident Theo Zwanziger am Sonntag gesagt. Das war großartig und das kann ich nur unterstreichen.
Angelika Kahl
ZDF, 18. November, 20.15 Uhr
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