Katholischer Sex bleibt ohne dritte Dimension

Oper live aus London im Kino – in 3D: Donizettis „Lucrezia Borgia”
Robert Braunmüller |
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Dank 3D ist der Raum vor unseren Augen zum Greifen”, lobt Regisseur Wim Wenders: „Ich glaube, dass 3D vor allem im Dokumentarfilm die neue Norm sein wird.” Wenders hat eben einen Film über die Choreografin Pina Bausch gedreht. Was dem Tanz gut ansteht, könnte auch dessen putzsüchtiger Schwester Oper zieren, denkt man sich auf dem Weg ins Hotel Bayerischer Hof.

Dort lud Pay-TV-Kanal Sky zur ersten dreidimensionalen Übertragung einer Oper in die Cinema Lounge. Alles war, wie es einem Event geziemt: Getränke gab’s gratis, der große Tenor Paul Potts sprach ein überflüssiges Grußwort, die moderierende Blondine taufte den rührigen Produzenten Jan Mojto zum „John” um und sprach den Namen seiner in Oberhaching ansässigen „Untitel” amerikanisch aus.

Das waren nicht die letzten Patzer. Die Übertragung aus der Londoner English National Opera wurde mit Beamern kopfwehträchtig unscharf projiziert. Immer wieder fiel der Ton kurz aus. Nach der Pause erwies es sich außerdem, dass 3D auf dem großen Flachbildschirm in der Bar besser rüberkam als in der umständlich gebeamten Version. Zwar wirkten die Sänger ein wenig wie mit der Schere aus Papier geschnitten, aber die räumliche Tiefe war eindrucksvoll.

Das umstürzende Gerüst im Münchener „Fidelio” oder eine Inszenierung der katalanischen Truppe La Fura del Baus wäre in 3D eine Wucht!

Davon war die Inszenierung von Mike Figgis („Leaving Las Vegas”) weit entfernt. Sie bestätigte alle Vorurteile über in die Oper verirrte Filmregisseure. Sie war ein altmodischer Kostümschinken, dessen Rampentheater durch die dritte Dimension nicht interessanter wurde. Gesungen wurde ordentlich in englisch. Aber an die „Lucrezia Borgia” mit Edita Gruberova und Pavol Breslik im Nationaltheater dachte man besser nicht.

Was versäumt der Bayerische Rundfunk?

Weil Donizetti die übelsten Borgias nicht auftreten lässt, fügte Figgis ein paar Filmchen hinzu, in denen Papst Alexander VI. und sein Sohn Cesare all das treiben, was sich ein Brite an wildem katholischem Sex zusammenphantasiert. Dummerweise waren diese Szenen aber nur zweidimensional gedreht.

Trotzdem: Für Menschen außerhalb von Städten mit zwei Opernhäusern kann 3D den Erlebniswert von Übertragungen steigern. Außerdem ist es wunderbar, dass sich ein auf Rendite zielender Spartenkanal und der Produzent Mojto nach wie vor auf Opern einlassen, weil öffentlich-rechtlichen Sender da immer zurückhaltender werden.

Apropos Kulturauftrag: Wann schickt eigentlich der Bayerische Rundfunk endlich den Übertragungswagen los, um Dieter Dorns Abschied mit dem „Käthchen von Heilbronn” aus dem Bayerischen Staatsschauspiel für den mitsubventionierenden Schwaben, Franken und Oberpfälzern zugänglich zu machen?

Robert Braunmüller

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