Kaninchen sind auch nur Menschen

Neville Tranter gehört seinem Stuffed Puppet Theater zu den Großmeistern des Puppentheaters. Zum Figurentheaterfestival kam der in Holland lebende Australier mit seinem Stück „Cuniculus“ – ein Höhepunkt.
von  Abendzeitung

Neville Tranter gehört seinem Stuffed Puppet Theater zu den Großmeistern des Puppentheaters. Zum Figurentheaterfestival kam der in Holland lebende Australier mit seinem Stück „Cuniculus“ – ein Höhepunkt.

Das lateinische Wort „cuniculus“ bedeutet Kaninchen, aber auch Höhle – und in einer düsteren Höhle haust die Kaninchenfamilie, die Tranter mit seinen skurrilen, großen Klappmaul-Handpuppen zum Leben erweckt. Es herrscht Endzeit – von oben hört man immer wieder Gewitterdonner, Gewehrsalven, Bomben, Flieger und Schreie. Nur die verhärmte Mutti wagt sich noch auf Nahrungssuche an die Oberfläche – und bringt eines Tages ein Hasenbaby mit. Das legt sie dem Menschenmann ans Herz, der bei ihr aufgewachsen ist und sich für ein Riesenkaninchen hält. Ihn spielt Tranter in eigener Person ebenso virtuos wie seine selbstgebauten Stoffpuppen.

Das Hasenbaby hat keine Chance gegen den Rest der Familie: den aggressiven halbwüchsigen Lupus, sein eitle, launische Schwester Sissy, den vertrottelten Onkel Claudius, der in seinem Radiosender immer wieder die gleichen alten Kamellen erzählt.

Ab und zu kommt Randy zu Besuch, der mit allem Sex treibt, was ihm in die Quere kommt. Mit bösem schwarzen Humor zeichnet Tranter die unheimliche, unheilvolle Kriegs-Atmosphäre, aber auch Momente inniger, anrührender Zärtlichkeit zwischen dem Mann und der Hasenmutter, die in seinen Armen stirbt. Wie er als Schau- und Puppenspieler einen doppelten Boden ins Spiel einzieht, Distanz und Magie vereint, ist einzigartig.

Gabriella Lorenz

Figurentheaterfestival, bis 2. Nov., Karten und Info Tel. 233 244 82, www.figurentheater-gpf.de

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