Kampuschs Seitenwechsel
Vom Entführungsopfer zur Fernsehmoderatorin: Die Österreicherin Natascha Kampusch versucht sich in ihrer ersten Talkshow als Journalisten. Für die erste Sendung holte sie Formel-1-Legende Niki Lauda ins Studio. Mit Video
Der Fernseher war in acht Jahren Gefangenschaft im Kellerverlies Natascha Kampuschs einziges Fenster zur Außenwelt. Zwei Jahre später tritt sie nun selbst im österreichischen TV als Gastgeberin auf: Seit Sonntag moderiert sie die Talk-Show, «Natascha Kampusch trifft...» heißt die Sendung im neuen Kabelsender Puls4.
Eine rasante Karriere für eine 20-Jährige, die darum kämpft, sich wieder ein normales Leben aufzubauen. «Über mich wurde schon so viel berichtet. Da will man wissen, wie es auf der anderen Seite ist», sagte Kampusch zu ihren Beweggründen. Dabei räumt sie freimütig ein, als TV-Moderatorin eine eher ungewöhnliche Wahl zu sein. Sie sei ja selbst noch damit beschäftigt, alles auf die Reihe zu bekommen. Doch solange man sich überwinde, komme man auch weiter, sagt Kampusch, die derzeit auch ihr Abitur nachholt. Nun also gewissermaßen Therapie durch Öffentlichkeit. Wie der Sender zuvor mitteilte, erhielt die junge Frau für den Auftritt keine Gage. Die Wienerin, die in den vergangenen 24 Monaten immer wieder in die Schlagzeilen geraten war, betrachte ihr Engagement für den neuen Privatsender als «Möglichkeit zur Ausbildung».
Wunschberuf: Journalistin
Allerdings soll sie den größten Teil des Erlöses erhalten, falls der Sender die Show im Ausland vermarktet. Kampusch hatte bereits kurz nach ihrer Flucht im August 2006 den Wunsch geäußert, Journalisten zu werden. Im März 1998 wurde Kampusch im Alter von zehn Jahren in Wien auf dem Weg zur Schule entführt. Rund achteinhalb Jahre hielt sie ihr Peiniger Wolfgang Priklopil als Gefangene im Keller fest. Nur Radio, Bücher und das Fernsehen verbanden sie mit der Außenwelt. Als Priklopil durch einen Anruf abgelenkt war gelang ihr schließlich im August 2006 die Flucht. Der Entführer nahm sich wenige Stunden später das Leben.
Kindliche Naivität
Wer bei der Talkshow Neues über das Entführungsopfer erfahren wollte, wurde enttäuscht. Vorsichtig und gelegentlich mit fast kindlicher Naivität fragte Kampusch den 59-jährigen Ex-Rennfahrer und Unternehmer nach Details aus seinem Leben: Nach seiner Kindheit, den Konflikten im Elternhaus, seinem verheerenden Unfall, und nach seiner neuen Liebe. Lauda entpuppte sich als der erwartet «einfache» Gast. Bereitwillig gab er Einzelheiten preis, die bisher nicht bekannt waren. Mehrfach lupfte er seine rote Kappe, als er Details seines schweren Rennunfalls erzählte. Kampuschs Fragen blieben kurz und einfach. Lauda aber half ihr bereitwillig über ihre Verlegenheit hinweg und stellte schließlich selber Fragen: «Wie war das bei Ihnen?» will er wissen, nachdem er von seinen Horrorerfahrungen und ihrer Bewältigung berichtet hat.
«Psychohygiene»
Kampuschs Antworten wirken einstudiert. Es handele sich bei ihrer Vergangenheitsbewältigung um eine Art «Psychohygiene», sagt sie. «Das, was ich erlebt habe, beschäftigt mich nicht so, wie die Leute gemeint haben.» Am Ende bleibt sie Lauda eine Antwort auf seine Frage nach ihren Zukunftsplänen schuldig: «Es gibt so viele Dinge. Ich will alles erforschen», sagt sie nur. Die Sendung auf dem neuen und um Marktanteile kämpfenden Sender Puls 4 sei für Kampusch ein Experiment, das zunächst auf sechs Sendungen angelegt ist, sagt einer ihrer Medienberater, Dusan Uzelac. Vor der Aufzeichnung des Gesprächs hatte Kampusch bereits Probesendungen, unter anderem mit einer Ex-Miss World und einem österreichischen Mode-Designer produziert.
Geschäftiges Tippen
Der kurze Werbefilm zur Sendung zeigt Kampusch mit langen blonden Haaren, sie trägt einen lila Pullover und einen blumenbestickten Rock. Ganz in Journalistinnenpose tippt sie geschäftig auf einem Notebook und lächelt, als die Maske ihr das letzte Make-up verpasst. Bei der Talkshow wolle sie vor allem wissen, «wie meine Gäste ihr aktuelles Leben sehen ihre berufliche Tätigkeit, den Freundeskreis. Sind sie zufrieden? Was sind ihre Träume?», sagte sie der Nachrichtenagentur APA. Sie werde sich mit ihren Gesprächspartnern «sehr offen» vor der Kamera unterhalten, und dabei auch einiges von sich selbst preisgeben. Seit zwei Jahren bewegt sie sich auf einem schmalen Grat: Schon zwei Wochen nach ihrer Befreiung sprach sie erstaunlich eloquent mit dem österreichischen Fernsehen, als Paparazzi jedoch anfingen, ihr bis in Diskotheken zu folgen, wehrte sie sich. Sie verteidigte ihr Recht auf Privatsphäre. Nun wird sich die Frage jedoch neu stellen: Als TV-Moderatorin wird sie willentlich zur öffentlichen Person, Fotografen könnten nun schwieriger abzuschütteln sein. (dpa, AP)
Das Video zur Sendung
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