Kaffeesatzlesen über den großen Atatürk

Mit „Wie den Vater nicht töten“ feiert das Freie Theater München 40. Geburtstag
Abendzeitung |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News

Mit „Wie den Vater nicht töten“ feiert das Freie Theater München 40. Geburtstag

Mozarts Kanon „C, A, F, F, E, E, trink nicht so viel Kaffee“ liegt über der Szenerie wie Duft von Kaffeebohnen. Die bilden die Spielfläche für eine Performance bei der sich der 83-jährige Regisseur George Froscher und sein künstlerischer Wegbegleiter Kurt Bildstein ihren eigenen Clash der Kulturen gönnen. Wolfers Kinderreim ist der einzige Text, den Froscher dem Gedicht „Wie nicht den Vater töten“ der türkischstämmigen Münchner Berkan Karpat und Zafer Senocak hinzufügte. So ein wie im Kanon besungener „Muselmann“, der den Kaffee nicht lassen kann, war auch Atatürk: Der „Vater der Türken“ soll täglich bis zu 40 Tassen Mokka getrunken haben.

Orientalisches Fabulieren kracht auf teutonische Theateravantgarde

Das sprachgewaltige Poem füllt schmerzensreich den Riss zwischen dem nationalen Übervater und dem eigenen Vater, zwischen dem Ideal eines „neuen Menschen“, den Atatürk schaffen wollte, und der tief verwurzelten Kultur des Landes, die die Identität der Menschen ausmacht. Kleinasiatische Folklore sucht man auf der Bühne des I-Camp allerdings vergeblich. Froscher lässt unvermittelt das orientalische Fabulieren der beiden Autoren auf teutonische Theateravantgarde der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts krachen.

Dass das Ergebnis staunenswert gerät, ist vor allem die Leistung der beiden Hauptdarsteller Gabriele Graf und Kurt Bildstein: Aus der szenischen Lyrik-Rezitation wird ein Sprechkunstwerk, bei dem jeder einzelne der dem Körper entrungenen Sätze selbst Körperlichkeit im Raum gewinnt – keine leichte Kost für den Caffè-Latte-Schlürfer, aber Genuss für jene, die gerne auch mal im Kaffeesatz einer Mokkatasse schmökern. Und mit dieser spannenden Gedichtsdramatisierung feiert das Freie Theater München seinen 40. Geburtstag.

Mathias Hejny

I-Camp, Samstag sowie 3., 4. August 2010, 20.30 Uhr, Tel. 650000

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.