Josef Bierbichler: „Holzschlachten - Ein Stück Arbeit“
Josef Bierbichler, der sperrigste, unbequemste und widerständigste deutsche Schauspieler in seinem 2006 uraufgeführten Solo „Holzschlachten - Ein Stück Arbeit“
Angst hat man nur vor dem Schuldgefühl,“ sagt Hans Münch. Aber das kennt er nicht. „Ich habe mein Möglichstes getan, um nicht schuldig zu werden.“ Im grauen Anzug sitzt er gelassen in einem Ledersessel und redet über seine Arbeit als Lagerarzt in Auschwitz. Der Mann, der das auf der Bühne spricht, ist Josef Bierbichler, der sperrigste, unbequemste und widerständigste deutsche Schauspieler. In seinem 2006 uraufgeführten Solo „Holzschlachten - Ein Stück Arbeit“, mit dem er jetzt an den Kammerspielen gastierte, zeigt Bierbichler die willfährige Schergen-Mentalität und das ungebrochene Unrechtsbewusstsein der Täter auf, das den Geist der Nazi-Zeit bis heute am Leben hält. Großer Beifall für einen beklemmenden Abend.
1947 wurde Hans Münch im Krakauer Auschwitz-Prozess als einziger von 40 Angeklagten freigesprochen und galt fortan als „der gute Mensch von Auschwitz“. Bis Ende der 80er Jahre praktizierte er als angesehener Landarzt in Roßhaupten im Allgäu. Doch in Gesprächen mit dem Journalisten Bruno Schirra 1998 entlarvte sich der SS-Arzt als Unbelehrbarer, der nach dem Motto „Dienst ist Dienst“ Selektionen, Menschenexperimente und Vergasungen für „absolut normal“ und die Endlösung für „human“ hielt. Die Leiden der Opfer ließen ihn kalt: „Die gingen ja sowieso ins Gas.“ In Auschwitz habe er „beste Arbeitsbedingungen“ und „ein gutes Leben gehabt, schwärmt er. Einen Prozess als NS-Verbrecher konnte man Münch wegen seines Gesundheitszustands nicht mehr machen, er starb 2001 mit 90 Jahren.
Diese ungeheuerlichen Aussagen, die Schirra protokollierte, erzählt Josef Bierbichler entspannt, selbstverständlich,fast jovial. Hinter ihm steht ein Stelenwald aus halb mannsgroßen Baumstämmen. Dem zynischen Arbeitsbegriff des Arztes setzt er im zweiten Teil die physische Arbeit des Holzhackens entgegen. Im Pyjama lässt er Albträume des 1990 gestorbenen Autors Florian List mit schwefelgelbem Himmel, Geistern und in Katzen verwunschenen Menschen lebendig werden. Bierbichler holt Stämme, treibt den Keil hinein und spaltet sie mit wuchtigen Axt-Schlägen in lange rohe Viertel, die er zum Scheiterhaufen aufschichtet. Ein Leichenberg, in den er sich als nackter Schmerzensmann legt und zum pathetischen Mahler-Chor sagt: „Ich bin das Opfer.“ Um dann aus der Betroffenheitspose wieder in Münchs normale Banalität des Bösen zurückzukehren.
Gabriella Lorenz
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