Jonas Jonassons "Die Analphabetin, die rechnen konnte"

Die Zutaten für Jonas Jonassons zweiten Roman: Ein vorlautes südafrikanisches Mädchen, zwei ungleiche schwedische Zwillinge und eine unerwünschte Atombombe.
(kd/spot) |
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Stockholm - Autor Jonas Jonasson (52) hat mit seinem Erstling "Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand" einen der großen Überraschungserfolge der vergangenen Jahre veröffentlicht. Entsprechend gespannt wurde nun sein Zweitwerk erwartet - enttäuscht dürfte davon niemand sein. Jonasson bleibt seinem Erfolgsrezept treu: "Die Analphabetin, die rechnen konnte" (carl's books, 448 Seiten, 19,99 Euro) präsentiert sich erneut als Schelmenroman, in dem skurrile Protagonisten auf die - nicht weniger skurril gezeichneten - Mächtigen der Welt treffen und unfreiwillig in die Mühlen der globalen Politik geraten. Dieses Mal führt die irrwitzige Reise vom südafrikanischen Apartheidstaat der 1970er bis ins Schweden des Jahres 2009.

Mit viel Witz erzählt Jonas Jonasson die unglaubliche Geschichte von Nombeko und den beiden Holgers. "Die Analphabetin, die rechnen konnte" gibt es ab sofort hier

Titelheldin Nombeko kommt in einem Slum von Soweto zur Welt und muss ab dem fünften Lebensjahr als Latrinentonnenträgerin arbeiten. Keine besonders schöne Zukunftsperspektive, doch da das Mädchen blitzgescheit und nicht auf den Mund gefallen ist, steigt sie rasch auf und wird mit 14 Chefin der Latrinenverwaltung. Dort wird sie ihren weißen Vorgesetzten schnell lästig und wieder gefeuert. Halb so wild, da Nombeko zufällig an ein Vermögen in Rohdiamanten gekommen ist. Doch auf dem Weg in eine bessere Zukunft wird sie von einem besoffenen Ingenieur angefahren.

Aufgrund der verqueren rassistischen Logik des Gerichts wird Nombeko dazu verurteilt, den Schaden an seinem Auto abzuarbeiten. Damit landet sie als Putzfrau mitten im südafrikanischen Atomwaffenprogramm, dessen Chef besagter Ingenieur ist. Da der ebenso inkompetent wie trunksüchtig ist, wird Rechengenie Nombeko zu seiner inoffiziellen, aber unersetzbaren Assistentin. Außerdem freundet sich das Mädchen mit drei gerissenen chinesischen Kunstfälscherinnen an, die es auf ähnliche Weise wie sie in die Küche des Forschungskomplexes verschlagen hat.

Etwa zur gleichen Zeit wie Nombeko werden in Schweden die ungleichen Zwillinge Holger und Holger geboren. Ihr Vater hat die glänzende Idee, seinen beiden Söhnen denselben Namen zu geben, nur einen anzumelden und sie abwechselnd zur Schule zu schicken. So bleibt mehr Zeit, um sie auf die gemeinsame Lebensaufgabe hin zu erziehen: den Kampf gegen das schwedische Königtum. Während der eine Holger den väterlichen Antimonarchismus bereitwillig aufsaugt, erkennt der andere schon früh die Schwachsinnigkeit dieses Unterfangens. Leider ist der pragmatischere Holger der nicht angemeldete, womit auch ihm die Möglichkeit, ein normales Leben zu führen, verbaut ist.

Nombeko gelingt nach einigen Jahren mit der unfreiwilligen Hilfe des Mossad die Flucht nach Schweden, wo sie die beiden Holgers kennen und einen davon lieben lernt. Als dann noch die drei Chinesinnen mit einer Atombombe, die eigentlich als Teil des Fluchtplanes nach Israel geschickt werden sollte, auftauchen, gehen die Verwicklungen erst richtig los.

Jonasson verknüpft in "Die Analphabetin, die rechnen konnte" mit leichter Hand Gesellschaftssatire, Ideologiekritik und historische Exkurse zu einer aberwitzigen Geschichte. Das Erzähltempo ist hoch und jede neue Wendung erscheint noch absurder als die vorherige, dennoch verliert der Leser nie den roten Faden. Das ist vor allem Jonassons klarem, trockenem Erzählstil zu verdanken. Hinter seinem etwas märchenonkelhaften Ton verbirgt sich dabei ein gelegentlich pechschwarzer Humor.

Dennoch ist "Die Analphabetin, die rechnen konnte" ein zutiefst menschliches Buch, in dem sich Humanität und Gewitztheit gegen Ideologien und Machtspiele behaupten. Fans des Vorgängers machen hier auf jeden Fall nichts falsch, und auch sonst sollte jeder, der eine unterhaltsame Lektüre mit Tiefgang schätzt, spätestens jetzt Jonasson eine Chance geben.

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