Jenseits von Zeit und Raum im Spiegelhotel
Dries Verhoevens Theaterinstallation „You Are Here“ bei den Salzburger Festspielen
Dass man seinen Mantel an der Theatergarderobe abgibt, ist normal. Aber die Schuhe? Doch hier auf der Perner-Insel checkt man nicht zu einer normalen Theatervorstellung ein, sondern in ein Spiegelhotel, das der Niederländer Dries Verhoeven aufgebaut hat. Jeder Gast bezieht für 75 Minuten ein Mini-Zimmer, in dem nur ein Bett steht. Die Raumdecke ist verspiegelt – man ist allein mit seinem Abbild über sich. Fragebögen werden unter der Tür zum Ausfüllen durch geschoben, wir dürfen uns hinlegen. Und dann, ganz unmerklich, hebt sich die Decke und gibt im Spiegel den Blick frei auf alle 40 Räume, die in einer eckigen Spirale auf 150 Quadratmetern angeordnet sind. Wir sehen die Mitbesucher, man könnte ihnen zuwinken – aber keiner tut das.
Unter den Gästen sind neun Performer – nur in ihren Zimmern sehen wir kleine Aktionen. Einer schreibt Notizen, andere tanzen auf dem Bett Macarena. Sie sind auch Hotelpersonal, stellen uns Zuckertassen neben das Bett, führen uns in einer Taschenlampen-Prozession mit leisem Singsang ins Innenzimmer der Spirale, wo man uns mit einem Löffel süßen Breis füttert. Sie klettern auch mal die Wand rauf und schauen von oben auf uns oder decken uns zu.
Der Titel „You Are here“ bezieht sich auf den roten Punkt, der auf Stadtplänen den Standort markiert. Um den eigenen Standort geht es hier, um Ferne, die wir zu anderen aufbauen, obwohl sie nah und in Sichtweite sind. Der Spiegel gibt der Wahrnehmung einen virtuellen Charakter, und in der oszillierenden Spannung zwischen Beobachtung und Beobachtetwerden verliert man allmählich jedes Gefühl für Raum und Zeit. Eine Erfahrung sehr eigener Art.
Gabriella Lorenz
Perner-Insel Hallein, bis 26. Juli täglich 15.45, 17.30, 19.15 und 21 Uhr, Tel.0043-662-8045-500, www.salzburgerfestspiele.at
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