James Taylor: Hoher Schmachtfaktor

Zeitlos schön: Der amerikanische Folksänger James Taylor in der Philharmonie
Nicola Bardola |
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Zeitlos schön: Der amerikanische Folksänger James Taylor in der Philharmonie

Auf so sanfte Weise bringt wohl kein anderer Künstler das Publikum nach zahlreichen Balladen zu stehenden Ovationen, zum Mitklatschen und –singen. Bei den Zugaben „Shower The People“ und „How Sweet It Is (To Be Loved By You)“ verwandelte sich der Konzertsaal in einen Musikschuppen voll gut gelaunter Menschen. Viele verließen ihre Plätze, um am Bühnenrand zu tanzen und sich nach der beruhigenden letzten Zugabe „Close Your Eyes“ mitgebrachte CD-Booklets oder T-Shirts signieren zu lassen. Der 1948 geborene Singer-Songwriter meint, Popstars sollten dankbar sein und ihren Fans etwas bieten, nachdem sie am Anfang ihrer Karriere um die Gunst der Massen geworben haben.

James Taylor spielte 25 Songs in fast zwei Stunden und erzählte Hintergrundgeschichten: „Als ich dieses Lied zum ersten Mal hörte, wusste ich sofort, dass ich es besitzen muss“, sagte er beispielsweise zu Carole Kings „You’ve Got A Friend“, das in seiner Version in den USA 1971 ein Nummer eins Hit wurde. Das Erfolgsgeheimnis von Taylors aktueller Welttournee mit Steve Gadd am Schlagzeug, Jimmy Johnson am Bass und Larry Goldings am Piano liegt nicht nur an Taylors zeitlos schönen Interpretationen und Kompositionen, sondern auch an seinem manchmal eigenartig klagenden Bariton, der heute noch so durchdringend und klar klingt wie vor über 30 Jahren. Das bestätigt eine Revox-Bandmaschine mit alten Gesangsaufnahmen, die prominent auf der Bühne steht und von Taylor manchmal bei Refrains als Zweitstimme eingeschaltet wird.

„1968 habe ich Paul McCartney und George Harrison eines meiner ersten Lieder vorgesungen“, sagt er und meint „Something In The Way She Moves“, worauf Taylor als erster Nichtbrite einen Vertrag bei der Beatles-Firma Apple bekam. Bescheiden unterlässt er es zu erwähnen, dass der jüngste der Beatles sich wenig später von Taylors Song zum Klassiker „Something“ inspirieren ließ. „Ich nahm meine erste Platte im selben Studio wie die Beatles auf. Sie arbeiteten gerade am ‚White Album‘ und ich am – ähm – grünen … oder braunen?“ Taylors Debüt enthält den Evergreen „Carolina In My Mind“ und auf dem Cover dominieren farblich Gras im Vordergrund, sein grünes Hemd und der braune Anzug.

Taylors Kommentare erheitern das Publikum, nur die zahnlos-lahme „Steamroller“-Rentner-Parodie zu Beginn des Konzerts wirkt nicht komisch. Um so bewegender dann die Liebeslieder: “Do me wrong, do me right / Tell me lies but hold me tight / Save your goodbyes for the morning light”, heißt es in “Don't Let Me Be Lonely Tonight”. Jazzig angehauchte Folk-Rock-Poesie mit hohem Schmachtfaktor. „Ich verdiene meinen Lebensunterhalt damit, ich selbst zu sein“, meint Taylor und findet immer wieder Worte und Melodien für seine Beobachtungen und Emotionen. Psychiatrieaufenthalte schon als Jugendlicher, eine fast zwanzig Jahre währende Heroinsucht sowie Depressionen, die seinen Partnerinnen – u.a. Carly Simon - manchmal das Leben zur Hölle machten, trugen aber auch zu introspektiven Songs bei, die inzwischen moderne Klassiker sind. In der Philharmonie schuf er damit eine Atmosphäre, die zum Weiterträumen einlädt.

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