"Inglouroius Basterds": Fantastisch kunstvoller Kriegs-Thriller
„Inglourious Basterds“ ist der bisher aufregendste, schillerndste und nachdenkenswerteste Film des Jahres. Der Bildungbürger als Täter – das ist die skandalöse Teil-Wahrheit, die Tarantino uns zumutet und sich damit vom Beispiel einer „Vorleser“-Konstruktion absetzt.
Brutale Billig-Phantasien wie in „Pulp Fiction“ oder überästhetisierte Horror-Tötungsorgien wie in „Kill Bill“? Es hätte das Grauen werden können, wenn sich Trash- und Splatter-Meister Tarantino an eines der heikelsten geschichtlichen Themen wagt: Frankreich unter der deutschen Besatzung und Judenverfolgung.
Aber „Inglourious Basterds“ ist der bisher aufregendste, schillerndste und nachdenkenswerteste Film des Jahres. Quentin Tarantino hat auf makabere, aber zulässig auch amüsante Weise einen Befreiungsschlag gemacht. Zwar gilt: Immer noch spritzt bei Tarantino wie in einem B-Movie viel Theaterblut, sieht man, wie die „Inglourious Basterds“ – eine jüdisch-amerkanische Haudegen-Elitetruppe – gefangene SS-Offiziere skalpiert, aber das sind nur bizarre Szenen am Rande.
Es überwiegt ein fantastisch kunstvoll durchstilisierter, ernst zu nehmender Kriegs-Thriller – mit mehr historischer Wahrheit, als so manchen lieb sein könnte. Denn wer es sich bequem eingerichtet hat im Nazi-Filmklischee vom dumm-brutalen Nazi-Deutschen oder im Betroffenheitskitsch, bekommt jetzt starken Tobak, garniert mit Sarkasmus und schwarzem Humor. Aber gerade durch den Befreiungsschlag vom politisch Korrekten kommt Tarantino der Wahrheit näher: Nicht primitive Nazi-Feindbilder erfüllen ihre barbarische Mission. Sondern man begegnet schockierend hochgebildeten, pervers kultivierten Schlächtern, die Französisch parlieren, auf Englisch verhören, falsches Italienisch entlarven und guten Wein zu schätzen wissen. Der Bildungbürger als Täter – das ist die skandalöse Teil-Wahrheit, die Tarantino uns zumutet und sich damit vom Beispiel einer „Vorleser“-Konstruktion absetzt.
Die mythische französische Resistance kommt nur als rassisch verfolgtes Liebespaar vor, das als einsame Selbsthilfe-Gruppe sich freisprengt. So brillieren vor allem die deutschsprachigen Schauspieler – neben Daniel Brühl als milchgesichtiger Kriegsheld und August Diehl als eiskaltes SS-Superhirn vor allem der Österreicher Christoph Waltz (Interview: Kino-Stadt, S.4/5): Er spielt einen perfide intelligenten SS-Offizier, einen extrem effektiven Juden-Jäger und brillanten Taktierer, der sogar rechtzeitig versteht, zynisch die Seite zu wechseln.
Solche Anspielungen auf hohe Nazis, die auf anderer Seite weiterarbeiteten, sind eine erfrischende Provokation. Und man denkt an den NS-Juden-„Schlächter von Lyon“, Klaus Barbie, der für die CIA weiterarbeitete. Dass Besatzer die gespenstisch galanten, letztlich intelligenteren Figuren sind, ist eine Nazi-Interpretation mit Zündstoff. Für Hollywoodstar Brad Pitt bleibt da nicht viel Raum. Der darf lässig ironisch den amerikanischen Klischee-Leutnant der Guerilla-Truppe geben: tapfer, ehrlich und wenn es sein muss, durchaus hart, aber letztlich naiv und Kaugummi kauend.
Adrian Prechtel