In jedem Ton lungert eine Anschauung
Die staksigen Schritte haben etwas verzagt Beklommenes. Ein kurzes verlegenes Lächeln huscht ins Leere. Dann sitzt David Fray schon auf seinem Lehnstuhl und legt sofort los mit Mozarts D-Dur-Sonate KV 311.
Eigentlich eine Gelegenheit, den sonnigen Salzburger rauszukehren, das unbeschwert Musikantische der Mannheimer Zeit. Statt dessen kreiselt Frays Spiel mit einer vorlauten Rechten durchs Melodieangebot im Kopfsatz und kostet lieber dynamische Differenzen aus. Auch das Tiefenschürfen mag er nie so recht lassen, die nach innen leuchtende Eleganz seiner Läufe hat etwas Fragiles, das dauernd Gefahr läuft, in einen Abgrund zu rutschen. Die dunklen Andeutungen der c-moll-Fantasie KV 475 sind bei ihm sehr viel besser aufgehoben als schwerelose Ausgelassenheit.
Und Beethoven? Mit dem bewegt er sich geradewegs auf die Romantiker zu. In der D-Dur-Sonate op. 28, der „Pastorale“, gönnt sich der 30-jährige Franzose gleich im Allegro eigenwillige Temporückungen, knüpft daran allerdings aufregende kleine Perspektivenwechsel. Irritierend ist das, in sich aber stimmig. Auch die „Waldstein“-Sonate könnte man sich anders vorstellen, besonders den Kopfsatz pulsierender, drängender, selbst etwas Rotziges hätte hier seinen Platz. Aber da ist Fray zu kultiviert, selbst im Brio geht es ihm stets um Nuancen, Färbungen, in jedem Ton lungert eine Anschauung. Und noch der C-Dur-Jubel in der Stretta des Rondos hat etwas Überlegtes, der As-Dur-Einbruch liegt ja schon in der Luft.
Wie magnetisiert klebt man an diesem Vortrag. Und vielleicht ist es ja vor allem die Unabhängigkeit, die an diesem dünnhäutigen Grübler besticht. Auch die Freiheit, sich mit einem intensiven Blick zurück immer wieder von alten Vorstellungen zu lösen. Wunderbare Voraussetzung für Schumann – die winzige Kostprobe aus den „Kinderszenen“ war an diesem Abend das Stimmigste.