In der Luft verschwunden

Wenn die Cannes-Blase platzt: Das Festival ist kein Laufsteg mehr für Filme aus Hollywood
von  Abendzeitung

Wenn die Cannes-Blase platzt: Das Festival ist kein Laufsteg mehr für Filme aus Hollywood

Cannes ist ein falsches Versprechen, das wie ein Geheimnis gehütet wird. Denn während die Bilder der Schönen und Reichen täglich von über 5000 Medienleuten in die Welt gestreut werden, kann man sie in ihren abgeschirmten Hotels und Limousinen mit getönten Scheiben gar nicht sehen. Selbst Jury-Präsidentin Isabelle Huppert hat sich im Carlton Hotel verschanzt.

Das eigentliche Problem ist nicht die Unsichtbarkeit, sondern, dass diesmal wenig Stars da sind, die man sehen könnte. Schon der Eröffnungsfilm ist glamourfrei. Denn Zeichentrickfiguren kann man trotz 3-D-Technik noch nicht animiert den Roten Teppich hinaufschreiten lassen. Und selbst die Notlösung prominenter Synchronstimmen fällt bei „Up“ – deutscher Titel: „Oben“ – weg. Der Pixar-Trickfilmer Pete Docter hat zwar schon für Disney die „Monster AG“ entworfen, aber diesmal keine Stars mitgebracht.

Worauf man sich jetzt wieder konzentrieren kann

In der Geschichte um einen alten Luftballonverkäufer, der sein Haus mit einer Riesentraube Luftballons wegfliegen lässt, ist das Heim am Ende aller Abenteuerreisen endgültig perdu. „Es tut mir leid um Ihr Haus“, tröstet ein Pfadfinderjunge den alten Mann. Und als der sagt: „Ist doch nur ein Haus“, lacht der ganze Kinosaal zwar über den Seitenhieb auf die geplatzte Immobilien-Luftballonblase. Aber in der Krise scheint eine Rechnung in Cannes nicht mehr aufzugehen: Das Festival als werbewirksame Abschussrampe für Großproduktionen aus Hollywood. Vielleicht sitzt auch der Schock tief, als vor drei Jahren der Weltverleih Sony zusehen musste, wie der pompös inszenierte „Da Vinci Code“ Minuten nach dem Abspann von den weltweit angereisten Filmjournalisten zerlegt wurde.

Jetzt zeigt Hollywood der Côte d’Azur also die kalte Schulter. Im Wettbewerb sind nur Ang Lee mit einem „Woodstock“-Film und der Außenseiter-Trash-Exzentriker Tarantino für die USA im Rennen – Letzterer mit einem „deutschen“ Thema: „Inglorious Basterds“ über eine bizarre US-Spezialeinheit hinter der deutschen Zweiten-Weltkriegs-Front. Das Zentrum des größten Filmfestivals der Welt sollte ja ohnehin der Wettbewerb sein. Das hatte man in den Glamourzeiten oft vergessen. Jetzt kann man sich wenigstens wieder darauf konzentrieren.

Adrian Prechtel

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