Im Psycho-Sanatorium

Salzburger Festspiele: Mozarts „Zauberflöte”, dirgiert von Nikolaus Harnoncourt in der Felsenreitschule und lau inszeniert von Jens-Daniel Herzog
Robert Braunmüller |
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Salzburg II: Mozarts „Zauberflöte” mit Nikolaus Harnoncourt in der Felsenreitschule

Ja, wo sind sie bloß, die von Alexander Pereira versprochenen Stars? Gewiss: Nikolaus Harnoncourt dirigiert „Die Zauberflöte”, Lokalmatador Markus Werba singt den Papageno. Sonst fehlen die Größen des gegenwärtigen Mozart-Gesangs – die Besetzungsliste enthält zwar ein paar Insider-Geheimtipps, aber sonst kaum bekannte Namen.

Das wird sich nach dieser Premiere aber ändern. Mandy Fredrich hat nicht nur die Koloraturen für die Königin der Nacht, sie gestaltet auch den Mutterschmerz der ersten Arie glaubhaft, woran fast alle ihre Kolleginnen scheitern. Seit der Gruberova waren Drama und vokales Ornament nicht mehr so im Einklang. Der Bassist Georg Zeppenfeld hat auch Sarastros ganz tiefe Töne – nur leider keine Bühnen-Ausstrahlung. Bernard Richter strahlte heldisch in der Felsenreitschule: Ohne Premieren-Nervosität und mit etwas mehr Schmelz käme er dem Ideal nahe.

Das haben Nikolaus Harnoncourt und sein Concentus Musicus bereits erreicht. Sie versöhnen die gute alte Wiener Mozartherzlichkeit mit einem rauschenden, bläser-betonten Sound der Alten Musik. Die Posaunen historischer Bauart verdicken den Klang nicht, sondern sorgen für eine besondere Farbe. Harnoncourt verströmt eine aufgeregte Gelassenheit, seine Tempo-Rückungen – am auffälligsten am Beginn jeder Strophe von Papagenos Auftrittslied – sind das Salz in der Suppe. Und dankenswerterweise hat das Orchester der Tonabteilung das Donnern entrissen: Es wird nach altem Theaterbrauch mit großen Blechen ausgeführt.

Beim ersten Blick auf den Besetzungszettel glaubt man einen bösen Druckfehler zu entdecken: Der Mohr heißt Manostatos – doch das entspricht Mozarts (Ver?-) Schreibung in der Partitur. Rudolf Schaschings klappriger Sprechgesang ist so grenzwertig wie die drei nur mäßig homogenen Tölzer Knaben und die Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor, in der offenbar 40 Individualisten singen, die sich bei „Triumph, du edles Paar” noch nicht auf ein gemeinsames Piano geeinigt haben.

Trotz dieser Abstriche ist die Aufführung ein Triumph von Mozarts Musik. Reisende Züricher dürften die Inszenierung des ehemaligen Dorn-Assistenten Jens-Daniel Herzog als Händels „Orlando” bereits zu Hause gesehen haben. Salzburgs neue „Zauberflöte” spielt in einem ähnlichen Psycho-Sanatorium mit angeschlossenem Internat, in dem Monostatos – Pardon! – Manostatos als übergriffiger Lehrer wirkt. Man darf auch ein bisschen an Scientology denken oder noch besser an gar nichts.

In den Gesangstexten haben Harnoncourt und Herzog alle traditionellen Änderungen getilgt. Nur, was soll’s, wenn die Feuer- und Wasser-Probe an eine TÜV-Schulung für Brandschutzbeauftragte erinnert? Warum sich die wie Schönheitsköniginnen der 1950er Jahre kostümierten Drei Damen samt Königin in der Klinik herumtreiben dürfen, wird erst am Ende halbwegs klar, wenn die Inszenierung in den letzten fünf Minuten an Biss gewinnt. Aber auch das kann den szenisch lauen Abend kaum retten.

Immerhin haben die beteiligten Puristen dem prächtigen Papageno von Markus Werba ein paar österreichische Farben gelassen. Julia Kleiter wäre als Pamina noch hörenswerter, wenn Harnoncourt die Arie „Ach, ich fühl’s” nicht dazu benutzen würde, historisierend Recht zu haben.

Das leicht erschöpfte Premierenpublikum mochte den Abend, nur beim Erscheinen des Regieteams kam Grummeln auf, das man Buh nicht nennen möchte. Und unsereiner findet: Wenn die Sänger so gut bleiben, wird die anbrechende Ära Pereira keine verlorene Zeit.

Arte überträgt die Aufführung heute, Montag, 30. Juli ab 20.15 Uhr. ORF 2 zeigt die Aufzeichnung am 6. August um 20.15 Uhr

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