Im goldenen Käfig

Sofia Coppola enttäuscht in Venedig mit "Priscilla" und Woody Allen präsentiert seinen 50. Kinofilm
von  Adrian Prechtel
Dieser Kuss der ganzen Welt: Elvis Presley (Jacob Elordi) und Priscilla (Cailee Spaeny) haben geheiratet.
Dieser Kuss der ganzen Welt: Elvis Presley (Jacob Elordi) und Priscilla (Cailee Spaeny) haben geheiratet. © Foto: Philippe Le Sourd

Die entscheidende Frage ist, wie man aus dem Leben einer durchschnittlichen Frau mit einem langweiligen Leben, das aus Kleidern, Make-up und Handtaschen im goldenen Käfig Graceland besteht, einen spannenden Film machen kann? Regisseurin Sofia Coppola jedenfalls fällt dazu nichts ein. Priscilla Presley hat die Autobiografie "Elvis and Me" geschrieben und Coppola daraus ein Biopic gemacht, das so öde wirkt wie das Leben auf einem Flauschteppich zwischen all dem goldenen Edelnippes.

Treibende Kraft hätten da wenigstens mitreißende Songs sein können, aber sie kommen nicht vor. Elvis' Kometenkurve mit Absturz ist nie nachvollziehbar, nicht einmal als Hintergrund der Geschichte einer vernachlässigten, einsamen Frau, deren Dasein zwischen Partys, Pools und Albernheiten einer Elvis-Kumpelsgruppe stattfindet - mit Rollschuhbahn, Autoscooter, TV-Glotzen, Pistolenschießen. Einzig eine angedeutete Impotenz des Sexidols Presley aufgrund Drogen und Medikamentenmissbrauchs schimmert als echte Tragik durch.

Vergleicht man Sofia Coppolas "Priscilla" mit Baz Luhrmanns "Elvis", dann ist Coppolas Scheitern noch umfassender. War Austin Butler ein gelungener Look-alike-Elvis und schauspielerisch sogar viel mehr, so ist Jacob Elordi nicht einmal ähnlich. Luhrmann überschüttete seine Elvis-Story mit seinem ganzen - sicher nicht mehr ganz neuen - Popkosmos, aber er spielte dabei virtuos mit vielen filmischen Entertainment-Elementen.

Cailee Speany ist als Priscilla Presley bei Coppola eine schauspielerische Nullnummer: nett, jung, nichtssagend. Und wenn am Ende Priscilla Elvis verlässt und mit ihrem Autor durch das Parktor in die Zukunft fährt, erklingt dazu eine vordatierte Version von Whitney Houstons "I Will Always Love You". Aber zu diesem sentimentalen Meisterwerk sitzt man ungerührt im Kinosaal.

Wenn Woody Allen mit 87 Jahren seinen 50. Film auf der Biennale zeigt, hat er mit "Coup de Chance" das Kino natürlich auch nicht mehr neu erfunden, aber einen verlässlichen, witzigen und doch eher "Match-Point"-ernsten Film gedreht. Der wurde auf der Berlinale auf dem European Film Market vorgestellt, fand keinen Verleih in den USA, das Cannes-Festival griff nicht zu, aber Venedig.

"Mich interessiert dieser Streit nicht, so dass ich die beiden Filmemacher, Polanski und Allen eingeladen habe", hat Festivaldirektor Alberto Barbera gesagt: "Was man Polanski vorwirft, geschah vor mehr als 40 Jahren. Er wurde schuldig befunden, er bekannte sich zu seiner Schuld, das Opfer hat ihm mittlerweile mehrfach, auch öffentlich, vergeben. In einer zivilisierten Gesellschaft muss man in der Lage sein, einen solchen Fall hinter sich zu lassen." Und Woody Allen sei außerdem ein völlig anderer Fall: "Ich mag diesen öffentlichen Pranger nicht, der sich über geltende Rechtsprechung hinwegsetzen will. Es gab Anschuldigungen gegen Allen, sie liegen fast 30 Jahre zurück und wurden damals schon von zwei unabhängigen Untersuchungen widerlegt. Warum reden wir überhaupt darüber? Für mich ist völlig unverständlich, warum er in den USA keine Filme mehr drehen kann und seine Filme dort nicht einmal mehr einen Verleih finden. Aber das ist nicht entscheidend für mich als Festivalleiter. Entscheidend für mich ist, dass er einer der herausragenden Künstler der letzten 60 Jahre ist, der immer noch ausgezeichnete Filme macht."

Und das gilt für "Coup de Chance" wirklich. Wieder liegt vom Vorspann an Jazzmusik über dem Film. Aber sie hat den Swing hinter sich gelassen und ist coolem, lässig Vorantreibendem gewichen mit Miles-Davis-artigen Trompeten. Und gleich geht es mit einem Beziehungsdialog los - und Schock: auf Französisch.

Woody Allen, der kein Geld mehr in den USA für seinen Film auftreiben konnte, hat in Paris auf Französisch gedreht. In der Pressekonferenz sagt er lässig, das sei kein Problem gewesen, auch wenn er kein Französisch spreche: "Im Gegenteil: Wenn man einen Film auf Japanisch anschaut, sieht man ja auch viel besser, ob die Schauspieler gut sind oder ob sie übertreiben oder Kitsch produzieren. So war es, als die Schauspieler am Set meinen Text auf Französisch gesprochen haben. Und Fragen konnten natürlich auf Englisch gestellt werden."

Jetzt ist ironischerweise "Coup de Chance" sogar als Oscar-Kandidat im Gespräch - als "Bester nichtenglischsprachiger Film". Es ist die klassische Allen-Geschichte: Eine junge Frau (Lou de Laage) ist mit einem smarten, zwanghaften Vermögensverwalter verheiratet, trifft aber einen Schulkameraden aus New York zufällig in Paris wieder. Der war schon immer in sie verknallt.

Sie beginnen eine Affäre. Eifersucht führt zu mehreren Toten. Und die Spannung besteht in der Frage, ob die Mordkaskade zu stoppen ist, und wie die potenziellen Opfer noch davonkommen könnten: Coup de Chance - durch Zufall!

Und da sagt Woody Allen ganz offen: "Schicksal und Zufall haben es mit mir ein Leben lang gut gemeint. Ich habe immer Glück gehabt. Aber es ist erst nachmittags…"

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