Im Fegefeuer Spaniens
MÜNCHEN - Auch mit 73 Jahren wird Woody Allen nicht müde, Filme zu drehen. Sein neuester - „Vicky Cristina Barcelona“ - mit Penelope Cruz und Scarlett Johansson ist ein sinnliches, geistreiches und witziges Meisterwerk.
Was ist das Gegenteil peinlicher Altherrenwitze? Woody Allens „Vicky Cristina Barcelona“. Dem 73-jährigen New Yorker ist jetzt sein erotisch sinnlichster Film gelungen. In geistreicher Heiterkeit wird die große Frage der Liebe verhandelt: Liegt das Glück in leichtsinniger Leidenschaft oder im Zweisamkeits-Model: Vielleicht verliebt, dann verlobt, sicher verheiratet – und geschieden?
Und weil Allen in Europa verliebt ist, dürfen wir – in der feurig südlichen Latinoversion – den leidenschaftlichen Part spielen: Der Altmeister des psychologischen Humors hat für Penélope Cruz die überhitzte Rolle als rasend eifersüchtige Ex-Frau eines Mannes geschrieben, der im wirklichen Leben ihr Lebensgefährte ist: Javier Bardem.
Das explosives Fotomodel aus Spanien und die blonde Sexbombe Amerikas
In „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ durfte man 1966 Liz Taylor und Richard Burton bei der Selbstzerfleischung zusehen. Jetzt ist heiter-überspitzt ein anderes Starpaar zu bewundern. Und das – im Film – explosive europäische Hispano-Duo erweitert sich zur funkenschlagenden Menage à trois mit dem blonden Sexbomben-Amerika, Allens Muse seit „Match Point“, mit der ihm jetzt der dritte „Scoop“, Volltreffer, gelungen ist: Scarlett Johansson.
Sie ist Cristina, eine sich selbst suchende, junge, abenteuerlustige Amerikanerin, die sich ständig amourös verstrickt und so immer wieder enttäuscht werden muss. Aber ist das nicht der bessere Weg als ihn ihre frisch verlobte, beste Freundin Vicky (Rebecca Hall) geht? Denn nach ein paar Gläsern Rioja und romantischen Gitarre-Klängen kostet auch die zweite junge Amerikanerin, Vicky, verbotene Früchte, nach denen ihre Bravheits-Prinzipien schwer zu retten sind.
Katalonien hat Allen mit Geld – nach drei Londoner Filmen – in den Süden gelockt und wird es nicht bereuen. Barcelona ist im Film eine makellose Traumstadt mit schicken Bars, bizarrem Gaudí-Kitsch, alten Villen und Inbegriff des Dolce Vita mit leichtlebigen Künstlern, Dichtern und Denkern. Am Ende ist sexuell viel passiert, sind die Verhältnisse äußerlich wieder geordnet, aber im Herzen nichts geklärt. Denn es bleibt der ewige Sehnsuchts-Stachel nach Leidenschaft, die leider sprichwörtlich Leiden schafft. Nur, wäre der Verzicht auf das Abenteuer des großen Gefühls nicht der lebende Tod?
Adrian Prechtel
Kino: City, Eldorado, Filmcasino, Leopold, Mathäser, MaxX, Rio, Solln, Atlantis (OmU), Cinema (OF)
R & B: W. Allen K: Javier Aguirresarobe (USA, ESP, 96 Min.)