„Ich würde es gerne wieder machen“

Die Moderatorin Elke Heidenreich über die Absetzung der „Vorleser“ und die Schwierigkeiten im Umgang mit Literatur im Fernsehen
von  Abendzeitung

Die Moderatorin Elke Heidenreich über die Absetzung der „Vorleser“ und die Schwierigkeiten im Umgang mit Literatur im Fernsehen

Die 66-jährige Autorin und Literaturkritikerin versuchte nach der Absetzung von „Lesen!“, die Sendung im Internet fortzuführen.

AZ: Frau Heidenreich, hat es Sie überrascht, dass das ZDF „Die Vorleser“ abgesetzt hat?

ELKE HEIDENREICH: Nein, ich fand von Anfang an, dass Amelie Fried und Ijoma Mangold nicht gut zusammenpassen. Ich finde beide sehr sympathisch. Es war aber keine gute Idee, zwei Leute, die mit Sicherheit nie einer Meinung sein werden, zusammenzusetzen. Denn das verwirrt den Zuschauer.

Haben Sie „Die Vorleser“ regelmäßig verfolgt?

Ganz habe ich nur die erste Sendung gesehen und später ab und zu mal reingeschaut.

Eine Nachfolge-Sendung soll es frühestens nach der Sommerpause geben. Hätte das ZDF nicht wenigsten warten können, bis die Alternative steht?

Wenn etwas nicht gut ist, dann ist es auch richtig, es abzusetzen. Außerdem hätte das ZDF mich ja nur mal fragen müssen. Ich würde es sehr gerne wieder machen.

Das ZDF hat also nicht gefragt?

Nein. Die Herren vom ZDF haben da wohl auch kein Interesse daran. Damals, nach der Fernsehpreis-Verleihung, habe ich sehr undiplomatisch reagiert und meinem Zorn ordentlich Luft gemacht. Danach habe ich mich aber beim ZDF entschuldigt. Ich habe lange Briefe geschrieben, doch auf keinen einzigen eine Antwort bekommen. Stattdessen hat man mich einfach abserviert, obwohl ich sechs Jahre lang eine äußerst erfolgreiche Sendung gemacht habe. Buchhandlungen, Verlage und vor allem Leser hatten mich gebeten, weiter zu machen. Das ZDF aber nie. Und das wundert mich, ehrlich gesagt. Schließlich geht es doch darum, ein gutes Programm zu machen.

Woher kam denn damals Ihr großer Zorn?

Ich hatte so eine große Wut, weil ich für das neue Jahr noch keinen einzigen Sendetermin hatte. Dazu kam, dass der ganze Abend der Preisverleihung so furchtbar war. Ich selbst war auf den Freitag gerutscht, weil man dienstags „Neues aus der Anstalt" zeigte. Und dann bin ich an dem Abend explodiert und habe geschrieben: „Schmeißt mich doch raus.“ Aber das sagt man eben so, wenn man wütend ist. Und ich habe den ZDF-Verantwortlichen ja geschrieben: „Entschuldigt, das war nicht so gemeint.“ Ich fände es prima, wenn die sich jetzt überwinden könnten, mich anzurufen. Ich lese alles, und könnte sofort einsteigen.

Was machen Sie denn besser als Fried und Mangold?

]Ijoma Mangold ist zu klug, hat ein zu spezielles Wissen und kommt zu sehr vom Schreiben. Daher hat er keine Sprache, mit der er die Menschen wirklich erreichen kann. Amelie Fried ist selbst Schriftstellerin, literarisch nicht so sehr versiert und außerdem zu beherrscht und brav. Da fehlt die Leidenschaft. Man muss sich in Bücher verlieben, für sie brennen. Das mache ich und stecke die Leute damit an. Ich sage ihnen: „Lest das, und ihr vergesst das schlechte Wetter, den Liebeskummer oder die Grippe. Lest das und ihr seid gerettet.“ Man muss die Literatur als Unterhaltung und als ein Glück betrachten – und nicht als ein hehres Bildungsgut. Und man braucht einen anständigen Sendetermin. Die Leute, die gerne lesen, müssen morgens wieder hinter dem Ladentisch stehen. Diese Menschen habe ich erreicht, nicht die Professoren oder Künstler. Deshalb ist 22 Uhr im Grunde die Schallgrenze.

Fehlt Ihnen persönlich auch die TV-Bühne?

Nein, persönlich vermisse ich die gar nicht. Von mir aus könnte ich mir auch eine Tüte über den Kopf ziehen. Aber mir fehlt die Öffentlichkeit für die Bücher. Ich habe in letzter Zeit so viele tolle Sachen gelesen: Franzen, Russo, Rachman, Roth oder Florescu beispielsweise. Da ist eine große Lücke. Und ich weiß, ich kann das. Ich bin für ein klärendes Gespräch hinter verschlossenen Türen, keine Infos nach außen, und dann mit dem guten alten Team zurück an die Arbeit. Sowas muss doch möglich sein!

Angelika Kahl

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