Ich bitte um Vergebung

Joseph von Westphalen ist "Der Flaneur" - Er glaubt keineswegs, dass Blasphemie verboten werden sollte.
von  Joseph von Westphalen

Vor kurzem plusterte sich mein erzkatholischer Schriftstellerkollege Martin Mosbach auf, in dem er laut über ein Blasphemieverbot nachdachte. Die mittelalterliche Rückschrittsforderung war ungewöhnlich originell und so bizarr, dass es nicht beim Kopfschütteln über die peinliche Entgleisung blieb. Es kam prompt zu der vermutlich erhofften Feuilleton-Debatte.

Im Islam würden die Spötter wenigstens noch verfolgt und mit dem Tod bedroht, lobte Laienbruder Martin, bei uns gingen diese Kreaturen doch tatsächlich straffrei aus. Sein hyperästhetisch verstiegenes Hauptargument: Da es im aufgeklärten Europa nicht strafbar sei, über Gott und die Gläubigen zu lästern, sei es billig, also keine Kunst.

Da „glauben“ nun mal „nicht wissen“ heißt, ist es nicht leicht, den Gedanken eines Gläubigen zu folgen. Noch komplizierter ist das Erraten der Hintergedanken. Man weiß nicht, ob Mosebachs Glaube gleichsam explodiert ist und ihm den Verstand aus dem Katholikenkopf geblasen hat, oder ob er sich mit dieser kokett gespreizten Provokation bei seinem geliebten Papst einschleimen will und mit einer zweite Karriere im Vatikan liebäugelt.

Im Grunde ist es einfach. Diese Religion, die uns in der Vergangenheit manche hübsche Kirche, manches wohlkomponierte Musikstück beschert und für die Verbreitung der Kunst tatsächlich einiges getan hat, lebt nun mal von der Sünde, das ist ihr Mittelpunkt. Da nach wie vor nach allen Regeln der Kunst gesündigt und von den leider nicht immer sich keusch zurückhaltenden Priestern Vergebung in Aussicht gestellt wird, ist dieses altertümliche Modell nach wie vor erfolgreich. Katholiken brauchen Gebote und Verbote, stramme Katholiken sind geradezu verliebt in Verbote, je strammer desto verliebter.

Rückführung in die verdiente Unmündigkeit!

Meine Empfehlung an die eifrigen Rechtgläubigen zur Zurückführung des Menschen in seine verdiente Unmündigkeit: am besten die amerikanischen Bibeltreuen mit ins Boot nehmen und die Evolutionslehre auch gleich zur Blasphemie erklären und mitverbieten, sich außerdem von muslimischen Folterfanaten in Ausbildungslagern die gottgewollte Bestrafung von Frevlern beibringen lassen und von russischen Ultraortodoxen, wie man kritische Künstler, die sich in Kirchen unfromm lärmend verhalten, in Käfige sperrt und vor Gericht zerrt.

Genug des Höhnens! Es ist so billig. So feige, weil ohne Risiko. Die teuflische Meinungsfreiheit ist so groß, kein Mosebach kann mir an die Gurgel gehen und mich mit seiner katholischen Krawatte würgen. Verrisse schreiben sich leicht, weiß jeder Kritiker. Loben ist viel schwerer. Deswegen sollte ich nicht länger lästern, sondern aus voller Kehle die Schöpfung preisen. Ich werde das tun! Das nächste Mal. Kein Platz mehr hier und heute.

 

 

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