"I Am The Greatest": Worum es in der Münchner Serie geht
"Sei kein Angsthase! Stress dich nicht! Was ist nur los mit mir?" Die sieben Hauptfiguren in der episodenhaften Münchner Serie "I Am The Greatest" sind verunsichert, verkrampft, Suchende. Aber nach was? Einem selbstsicheren Auftreten? Sicher. Sie gieren aber auch nach mehr Akzeptanz, Stärke, Klarheit, (Selbst)Liebe. Das Spannende dabei. Wir, die Zuschauer, können sie dabei nicht nur beobachten, sondern auch ihre Gedanken hören.
Vor fünf Jahren begannen die Dreharbeiten zum Kurzfilm "Alles Übel der Welt" von Nicolai Zeitler und Marlene Bischof. Ein gefrusteter junger Mann (Christian Erdt) rauscht hier durch die Münchner Fußgängerzone, wird angerempelt, rempelt zurück und kotzt sich im Voice Over über die Rücksichtlosigkeit seiner Alpha–Mitmenschen aus. Ein fiebriger, verwackelt gefilmter, schnell geschnittener Bilderstrom mit kurzen fiktionalen "Was wäre wenn"–Einsprengseln. Ein kurzer Blick auch in die Gedankenwelt eines selbsternannten "Verlierers". Starker Tobak, aufwühlend, intensiv, in nur fünf Minuten verdichtet.
Dieser clipartige Film steht am Anfang von "I Am The Greatest" und setzt bereits den Ton für das, was noch kommt. Die jungen Filmemacher dahinter, der in Berlin geborene und an der Münchner HFF ausgebildete Nicolai Zeitler und die lange an einem Inklusionstheater als Dramaturgin beschäftigte Marlene Bischof, haben sich für ihr erstes großes Projekt einiges vorgenommen: "Unsere Serie soll das erfahrbar machen, was sonst unausgesprochen in uns schlummert – all die Ängste, Unsicherheiten und Sehnsüchte, für die wir uns so häufig verurteilen und schämen", heißt es in einem Regiestatement.

Die damit verbundenen Erwartungen erfüllt "I Am The Greatest" auf sehenswerte Art und Weise. Viele junge Eltern werden sich gerade in der gewitzten zweiten Episode "Ein, Zwei, Drei …und jetzt?" wiederfinden. Bereits kurz nachdem ein Vater, gespielt vom Regisseur Nicolai Zeitler, mit seinem Sohn (Tyll Zeitler) auf dem Spielplatz ankommt, geht das Kopfkino los: "Hoffentlich muss ich keine Sandburg bauen! Warum habe ich das Spielzeug vergessen? Und wieso muss mein Sohn ausgerechnet jetzt Kacka machen?"

Die Szene ist grandios beobachtet, amüsant wie ernüchternd, und verwandelt eine banale Alltagssituation in einen sozialen Brennpunkt. Ängste, die von außen betrachtet vielleicht unbegründet sind, aber aus einem falschen Selbstbild und dem diffusen Gefühl Erwartungen nicht erfüllen zu können, entstehen, werden in diesen hastigen Inneren Monologen sichtbar.
"Tatort"–Kommissar Mark Waschke als Ego–Firmenchef
Mit diesem konsequent eingesetzten Stilmittel gelingt es den Filmemachern auch, Milieus, Figuren und Geschichten zu verknüpfen, die auf den ersten Blick nicht zusammenpassen. Wir sehen "Tatort"–Kommissar Mark Waschke als Ego–Firmenchef, der rasend auf der Autobahn seinen Firmenabschied plant. Oder wir erleben eine tieftraurige, sich selbst als "alt und verbraucht" bezeichnende Frau (grandios: Susana Fernandes Genebra), die bei einer Hypnose über ihre gescheiterte letzte Annäherung an ihren Ex reflektiert.

Vielleicht am Warmherzigsten ist die Episode "Weil ich ein Kind der Sonne bin" mit der herausragenden Katharina Stark ("Deutsches Haus", "Franz K.") als junge, in einem Tagesheim lebende Frau, die glaubt ihrem Date nicht zu genügen. Als es am Rotkreuzplatz dann doch zum Treffen kommt, der Gedankenstrom aber immer wieder stoppt mit der Frage, ob man nicht ständig das Falsche sagt, dann ist das so unverkrampft nah dran an der Lebenswirklichkeit im heutigen Dating–Wahnwitz, dass man gleich mehr davon sehen will: Nicht nur von diesen realistisch gezeichneten Figuren, sondern auch von den Machern dieser München–Serie.
Ab 24. November auf arte.tv, ab 28. November im ZDF–Streaming–Portal, am 1. Dezember um 0.50 Uhr im ZDF
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