Hommage an die Erde

Der Luftbildfotograf Yann Arthus-Bertrand und Luc Besson drehten mit „Home“ eine große Natur-Doku. Zu sehen ist sie aber nur im Internet
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Der Luftbildfotograf Yann Arthus-Bertrand und Luc Besson drehten mit „Home“ eine große Natur-Doku. Zu sehen ist sie aber nur im Internet

Qualmende Vulkankrater, die rauschenden Iguaçu-Wasserfälle, dampfende senegalesische Müllhalden und türkis-funkelnde Lagunen – Ästhetik kennt bei „Home“ keine inhaltlichen Grenzen. Die ambitionierte Natur-Doku feierte letzten Freitag am Welt-Umwelttag Premiere. Ob im Kino, Fernsehen, DVD oder gratis auf Youtube. Die Hommage an die Erde konnte in über 50 Ländern gleichzeitig gesehen werden – aber nur an einem Tag.

Hinter dem einmaligen Öko-Event stecken zwei künstlerische Schwergewichte aus Frankreich. Europas Filmproduzent Nr. 1, Luc Besson („The Transporter“), und als Regisseur der weltweit führende Luftbildfotograf Yann Arthus-Bertrand. Der 63-jährige Herausgeber des 1500 Euro teuren, 13 Kilo schweren Fotobands „Good Planet – Giant Edition“ scheute für seinen ersten Film keine Mühen. 21 Monate lang flog er mit dem Helikopter über 54 Länder hinweg und machte an 120 Drehorten nur aus der Vogelperspektive atemberaubende Aufnahmen.

Für sein Monumental-Vorhaben verlangte der Perfektionist nichts Geringeres als die beste auf dem Markt erhältliche Spezialkamera. Fündig wurde er beim Cineflex-V- 14-Modell, einem hochauflösenden, um 360 Grad drehbaren Digitalzauberkasten, der eigentlich für militärische Operationen gedacht war. Damit begannen für Arthus-Ber-trand die Probleme. Zwar lieferte die Digitalkamera kristallscharfe Bilder, für einige Länder waren diese aber viel zu detailliert: „Indien hat 50 Prozent unseres Drehmaterials konfisziert. In China durften wir vielerorts nicht drehen, der Film ist dort zensiert worden. In die USA kann ich derzeit nicht reisen, man würde mich verhaften, weil ich eine industrielle Rinderfarm gedreht habe“, lautet das ernüchternde Fazit des Bilderstürmers, der mit „Home“ ganz andere, viel universellere Ziele im Sinn hat.

Verweigerung der Schwarzmalerei

Inspiriert von Al Gores oscarprämierter Doku „Eine unbequeme Wahrheit“ will Ber-trand die Menschen wachrütteln: „Wir leben in einer alles entscheidenden Zeit. Wissenschaftler sagen uns, wir hätten nur 10 Jahre, um unsere Lebensweise zu ändern, um das Aufzehren von Rohstoffen zu verhindern und um eine katastrophale Entwicklung des Weltklimas zu verhindern. Um so viele Leute wie möglich darauf aufmerksam zu machen, habe ich ‚Home’ gedreht.“ Sein Film verweigert sich aber der reinen Schwarzmalerei. Im Gegenteil: Laut Bertrand „ist es zu spät, um ein Pessimist zu sein“.

Fraglich bleibt, ob Machart und Filmvertrieb glücklich gewählt waren. Sicherlich faszinieren die poetischen Landschaftsaufnahmen, die an die „Ornament der Masse“-Ästhetik von Andreas Gursky erinnert. Ob aber die Stilisierung des Schreckens wie die züngelnden Flammen bei der Urwald-Rodung, die sakrale Musikuntermalung oder der mahnende „Ökoschwanz“-Kommentar wirklich nötig sind, liegt im Ermessen des Betrachters. Warum der millionenteure Film aber nur an einem Tag als „Eventidee“ präsentiert wurde (er lief in München am Freitag im CinemaxX und um 21 Uhr auf n-tv) und jetzt auf DVD oder in einer um 30 Minuten gekürzten Youtube-Version versauert, bleibt unverständlich.

„Unsere Erde“ zeigte mit über drei Millionen Besuchern, dass Natur-Dokumentationen durchaus massentauglich sind. Zu den weitgehend sinnfreien Sommer-Blockbustern hätte „Home“ eine inhaltlich bedeutsame und visuell berauschende Alternative sein können. Und auch wenn Besson und Arthus-Bertrand mit „Home“ bewusst unkommerzielle Interessen verfolgten, über zusätzliche Kinoeinnahmen würden sich Umweltorganisationen sicherlich nicht beschweren.

Florian Koch

„Home“ ist zu sehen auf www. youtube.com/homeproject

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