Höhere Zivilisation macht uns nicht besser
1955 in Stuttgart geboren, wurde Roland Emmerich der erfolgreichste deutsche Hollywood-Regisseur mit "Independence Day", "Godzilla" und "The Day after Tomorrow". Im AZ-Interview spricht er über Gigantomanie und die Pflicht des Bürgers, ein Held zu werden.
Nach seinem zukunftsweisenden Klimakatastrophenfilm „The Day After Tomorrow“ begab sich der deutsche Hollywood-Regisseur Roland Emmerich mit „10.000 B.C.“ in die Steinzeit. Hier lässt er digitale Mammut-Herden und Säbelzahntiger über die Leinwand toben und erzählt die Geschichte des Mammutjägers D'Leh (Steven Strait), der Frau und Volk aus den Fängen eines Sklavenhalterregimes befreit.
AZ: Herr Emmerich, was hat Sie nach Ausflügen in die Zukunft soweit zurück in die Vergangenheit verschlagen?
ROLAND EMMERICH: Die Idee von „10.000 B.C.“ ist schon fünfzehn Jahre alt. Ich habe das Schreiben unterbrochen, um „The Day After Tomorrow“ zu machen. Außerdem musste ich noch warten, bis die Entwicklung der visuellen Effekte weit genug war, dass man die urzeitliche Welt so echt kreieren konnte.
Wodurch wurde ihre Faszination geweckt?
Durch eine TV-Dokumentation über Mammutjäger. Das ist ein bisschen wie in „Jurassic Park“. Nur geht es nicht um Dinosaurier, sondern um Mammuts.
Ist der Film also eine fiktive Naturdoku?
Nein, es ist eine gewagte Mischung zwischen Fantasy und Urgeschichte. Eher ein Ideenfilm, als eine Dokumentation. Die Botschaften verstecken sich hinter den visuellen Effekten, sind mir aber deshalb nicht weniger wichtig. Die Frage, wie viel Verantwortung man übernehmen soll, steht im Mittelpunkt. Unser Held will eigentlich nur sein Mädchen retten und muss schließlich die Verantwortung für sein ganzes Volk auf sich laden. Der Film zeigt, dass höher zivilisierte Gesellschaften nicht die besseren sind. Und diese Aussage hat auch heute noch politische Relevanz.
Und wie bekommt man Hunderte von Schauspielern dazu, bei Eiseskälte halbbekleidet durch die Berge Neuseelands zu ziehen?
Ursprünglich wollten wir in einer wärmeren Region drehen, haben aber dort keine Genehmigung bekommen. Sechs Wochen vor Drehbeginn mussten wir nach Neuseeland ausweichen, wo es irre kalt war. Zunächst sind alle ausgeflippt. Die Kostümdesigner haben Ponchos entworfen, aber das sah furchtbar aus. Und dann habe ich gesagt: Dann ist es eben kalt! Und es war erstaunlich, wie schnell sich die Schauspieler akklimatisiert haben. Nach drei Wochen liefen die mit freiem Oberkörper rum, während die Crew sich in Daunenjacken vergrub.
Haben Sie deshalb auf Stars verzichtet?
Nein. Ich wollte eine Welt schaffen, die man bisher noch nicht gesehen hat. Irgendein bekannter Schauspieler hätte diese Illusion zerstört. Das hat auch das Studio begriffen. In „10.000 B.C.“ sind die visuellen Effekte die Stars.
Das wird wohl auch in Ihrem nächsten Film „2012“ so sein.
Ja, es geht um das Ende der Welt. Das wird ein großer Katastrophenfilm. Die ideale Filmgeschichte beschreibt für mich die Wandlung eines Normalbürgers zum Helden. Das war in „The Day After Tomorrow“ so und das wird auch in „2012“ so sein. Aber es muss auch immer etwas Philosophisches dahinter stehen. In „The Day After Tomorrow“ ging es ja nicht nur um einen Sturm, sondern darum, dass wir unsere Welt zerstören. Und in „2012“ wird es darum gehen, wen und was wir retten möchten, wenn die Welt untergeht.
„10.000 B.C.“ hat 150 Millionen Dollar gekostet. Das Produktionsbudget von „2012“ ist auf 200 Millionen beziffert. Ist das nicht gigantomanisch?
Es gibt heute auch schon Filme, die kosten 300 Millionen. „Spider Man 3“ etwa, auch wenn man ihm es nicht ansah. Bei „2012“ haben viele Leute, nachdem sie das Skript gelesen haben, gesagt: das ist nicht machbar! Und ich sage halt: Ich weiß wie man es macht. Aber dafür brauche ich 200 Millionen Dollar.
Martin Schwickert