Hippies, bitte hinsetzen
Die Zuschauer genießen andächtig: Jethro Tull spielen ein überraschend unnostalgisches Konzert im Krone-Bau.
Jethro Tull standen im Rockgeschäft immer zwischen allen Fronten: Den Folk-Fans waren sie vor 40 Jahren zu rockig, den Progressiven zu kommerziell – und heute steht die Band unter Althippie-Verdacht, obwohl sie in Woodstock gar nicht mitspielte. Der Krone-Bau war fast ganz gefüllt, und zwar nicht nur von den zum Teil im originalen Langhaar-Ornat angereisten Altvorderen, sondern auch von erstaunlich jungem Publikum.
Es wurde ein überraschend unnostalgisches Konzert, bei dem die Band um den Querflötisten Ian Anderson nach der Eröffnung mit „Nothing Is Easy“ tief in die nicht ganz so bekannten Teile ihres Repertoires eintauchte und von „Jeffrey Goes To Leicester Square“ bis „Farm On The Freeway“ vieles souverän um- und neuarrangierte. Das war spannend und kurzweilig; das Hörvergnügen wurde lediglich vom nicht ganz optimalen, ins Grelle umschlagenden Sound getrübt. Die ersten Hippies auf den Rängen versuchten zu tanzen bei „We Used To Know“ – wurden aber von Ordnern schnell wieder in Sitzposition gebracht. So genoss man andächtig: Den wunderbar knochentrockenen Sound von Gitarrist Martin Barre und die lustigste Querflöte des Rock – auch wenn sie manchmal wie eine Panflöte säuselt.
Michael Grill
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