Himmel und Hölle

Vor der Philharmonie ein ungewohntes Bild: Da wurden nicht etwa Karten gesucht, sondern zum Verkauf angeboten. Drinnen war dann aber sogar das Podium besetzt. Der chinesische Pianist Lang Lang (25) ist trotz manch’ zweifelhafter CD „in“, ein Popstar, dessen Solo-Auftritte mit Klassikkonzerten im herkömmlichen Sinn nur noch wenig zu tun haben.
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Vor der Philharmonie ein ungewohntes Bild: Da wurden nicht etwa Karten gesucht, sondern zum Verkauf angeboten. Drinnen war dann aber sogar das Podium besetzt. Der chinesische Pianist Lang Lang (25) ist trotz manch’ zweifelhafter CD „in“, ein Popstar, dessen Solo-Auftritte mit Klassikkonzerten im herkömmlichen Sinn nur noch wenig zu tun haben.

Auch diesmal scheute er sich nicht, eine Handvoll Schmonzetten – aus seiner Heimat und vom Spanier Granados – zwischen großer Klaviermusik zu präsentieren. So, als ob die Berliner Philharmoniker nach Bruckner Suppés Ouvertüre „Dichter und Bauer“ aufs Programm setzen würden. Der erste Teil des Konzerts geriet desolat. Mozarts Sonate KV 333 wurde regelrecht hingerichtet. Das Andante mutierte zum sentimentalen Gustostückerl, Flüchtigkeitsfehler schlichen sich ein. Das Publikum sah keinen Grund, das Husten einzustellen. Geradezu grotesk mutete das Staatsbegräbnis an, das Lang Lang der C-Dur-Fantasie von Schumann bereitete. Es mag ja sein, dass eine allzu nüchterne Darstellung dieser emotionsgeladenen Musik nicht allzu gut tut.

Leider benutzte Lang Lang die Aufforderung des Komponisten, den Beginn „durchaus phantastisch und leidenschaftlich vorzutragen“, als Alibi für das gesamte Stück. Exzentrik und Übertreibungen verjagten die romantische Ausdrucksvielfalt. Man war nicht im Klavierhimmel, sondern in der Tastenhölle. Dann das Wunder: Nach den Belanglosigkeiten aus seinerHeimat musizierte Lang Lang den „Liebestod“ aus Wagners „Tristan“ in der Fassung von Franz Liszt mit derart grandioser Leidenschaftlichkeit, dass alle Sünden zuvor wie weggeblasen waren. Und auch der atemberaubende Zirkus, den er bei der Ungarischen Rhapsodie Nr. 6 veranstaltete, ohne Netz und doppelten Boden, besaß jene faszinierende Überzeugungskraft, die man sich auch dort gewünscht hätte, wo die Komponisten „nur“ Mozart und Schumann hießen.

Mit Wiener Philharmonikern

Mit den Wiener Philharmonikern hat er die beiden Chopin-Konzerte eingespielt. Sie sollen noch in diesem Jahr veröffentlicht werden. Hoffentlich war jemand dabei, der ihn davon überzeugen konnte, dass Chopin wichtiger ist als Lang Lang.

Volker Boser

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