Hilfsbedürftige Helfer
Christoph Schlingensief verwurstet Luigi Nonos „Intolleranza“ für den Pavillon vor dem Marstall
Bisher kursierte das Projekt unter dem Namen „Remdoogo – Stunde Null“. Nun heißt Christoph Schlingensiefs neue Aktion „Via Intolleranza II“, ausgehend von der Oper „Intolleranza 1960“ des italienischen Komponisten Luigi Nono.
Geprobt wurde dazu bisher in Afrika, ab jetzt in Berlin, später auch in Brüssel. Nach Zwischenstationen dort und in der Hamburger Kampnagel-Fabrik eröffnet der Abend am 24. Juni den derzeit im Bau befindlichen Mini Opera Space der Bayerischen Staatsoper. Die drei Vorstellungen im futuristischen Alu-Kasten am Marstallplatz hinter dem Nationaltheater sind schon ausverkauft.
Wie Schlingensief auf seiner Website betont, sei es keine Produktion seines „Operndorfes“ im afrikanischen Burkina Faso, sondern „eine begleitende Forschungsarbeit, die den Versuch unternimmt, Schritt für Schritt zu begreifen, warum wir ständig dem afrikanischen Kontinent helfen wollen, obwohl wir uns selber schon lange nicht mehr helfen können“.
„Intolleranza 1960“, uraufgeführt bei der Biennale 1961 in Venedig, ist ein Schlüsselwerk der Oper des 20. Jahrhunderts. Mit dieser „sozial engagierten Musik“ verfasste Luigi Nono ein politisches Statement gegen Rassismus, Intoleranz und staatliche Gewalt.
In Afrika wird trotzdem weitergebaut
Der an Krebs erkrankte Film- und Theaterregisseur („Das deutsche Kettensägenmassaker“), der 2004 sein Operndebüt mit Richard Wagners „Parsifal“ bei den Bayreuther Festspielen gab, wird am 3. Oktober auch die neue Ausweichspielstätte der Berliner Staatsoper im Schillertheater eröffnen – mit der Uraufführung „Metanoia – über das Denken hinaus“ von dem Komponisten Jens Joneleit, die musikalische Leitung hat Generalmusikdirektor Daniel Barenboim. Im Oktober wird an der Deutschen Oper Berlin auch Schlingensiefs 2008 noch vom Krankenbett aus inszenierte Oper „Jeanne d'Arc – Szenen aus dem Leben der heiligen Johanna“ von Walter Braunfels wieder aufgenommen. Schlingensief war Anfang 2008 an Lungenkrebs erkrankt.
Im vergangenen Februar hatte Schlingensief den Grundstein für sein „Operndorf“ im afrikanischen Burkina Faso nahe der Hauptstadt Ouagadougou gelegt, dessen Bauten mit Werkstätten, Veranstaltungs- und Schulräume für Musik- und Filmunterricht sowie Theateraufführungen von dem Architekten Francis Kéré entworfen wurden. „Da wird jetzt gebaut, gebaut und gebaut“, sagte Schlingensief dazu jetzt der Nachrichtenagentur dpa. „Die Fundamente für die gesamte Schule stehen schon, auch von 16 Werkstätten, dem Musikstudio, dem Minikino usw...Das Ding wächst!“ Die ersten Klassen sollen im Oktober ihre Arbeit aufnehmen.
Robert Braunmüller/dpa