Herrenchiemsee unbefleckt
Seit 1920 beschäftigt der Märchenkönig auch die Filmwelt. Jetzt wagt Peter Sehr eine Neuverfilmung von Ludwigs Leben
Kann es nach Luchino Viscontis „Ludwig“ eine weitere Spielfilmdeutung des Märchenkönigs geben? „Ja“, sagt der Münchner Regisseur Peter Sehr („Kaspar Hauser“). 1,5 Millionen Euro – die höchstmögliche Filmförderung eines Einzelprojekts – hat er vom Film und Fernseh-Fonds Bayern (FFF) bekommen, die Spielfilmredaktion des Bayerischen Rundfunks unter Bettina Reitz produziert die deutsch-französische Produktion mit. Sehr wirft Visconti vor, eigentlich gar keinen Film über Ludwig (1845 – 1886) gemacht zu haben: „Heute weiß man auch mehr durch die geheimen Briefe und die Tagebücher. Außerdem kann man heute die ganze homoerotische Tragik darstellen: Ludwig ging davon aus, dass Gott ihm verboten habe, Männer zu lieben. Er hat zwar Agenten gehabt, die ihm Männer in ganz Europa gesucht haben, aber es ist nicht ein einziger Liebesakt nachweisbar“, sagt Sehr, der als Berater sogar auf den Archivar des Wittelsbacher-Geheimarchivs zählen kann. Zwar steht die Besetzung des Drehs, der im März des Jubiläumsjahr 2011 (125. Todestag) beginnen soll, noch nicht fest. Aber Peter Sehr hat einige der Film-Crew von Hanekes „Weißem Band“ gewonnen, wie den Kameramann und den Ausstatter. Sehr geht davon aus, dass Kunst für Ludwig nicht nur die Sublimierung verbotener Sexualität war, sondern auch die Rettung vor Selbstmord. „Und Ludwig hatte die visionäre Idee für Bayern, Deutschland und Europa, dass Kunst Aggressionen abbaut. Versailles zum Beispiel war durch die Krönung des deutschen Kaisers geschändet. So wollte Ludwig seinem geliebten Sonnenkönig ein zweites, unbeflecktes bauen: Herrenchiemsee.“
Film wäre für Ludwig ein Traummedium gewesen, seine Fantasien auszuleben. Aber nicht alle Filme über ihn sind Meisterwerke geworden. Schon 1920 drehte Rolf Raffé „Das Schweigen am Starnbergersee“: Immerfort schreiten Ludwig (Ferdinand Bonn) und Sissi durch kostbar ausgestattete Interieurs. Interessanter ist schon Wilhelm Dieterles „Ludwig der Zweite“ von 1930, dessen explizite homoerotische Anspielungen zum zeitweiligen Verbot des Filmes führten.
Helmut Käutner hat 1955 mit O. W. Fischer „Glanz und Elend eines Königs“ an der Kitschgrenze dargestellt. Hans-Jürgen Syberberg drehte „Ludwig – Requiem für einen jungfräulichen König“ im gleichen Jahr wie Luchino Visconti mit Helmut Berger. Vierzig Jahre nach dem Visconti-Film wagt Peter Sehr jetzt eine weitere Spielfilmdeutung des Rätsel-Königs.Adrian Prechtel
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