Heiterer Melancholiker
Peter Schamonis Filmbiografie über den kolumbianischen Maler Fernando Botero
Seit vierzig Jahren faszinieren ihn die leuchtenden Farben und ausufernden Formen des kolumbianischen Malers und Bildhauers Fernando Botero (76). Nun hat der Münchner Filmemacher Peter Schamoni (74) ein 90-minütiges Kino-Porträt über ihn verfasst. Die Welturaufführung läuft heute, Samstag (ausverkauft), zum krönenden Abschluss des Münchner Filmfests, Fernando Botero wird persönlich anwesend sein.
„Ich habe ihn 1970 erstmals bei seiner Ausstellung in der Galerie Buchholz in der Maximilianstraße gesehen“, sagt Schamoni, der damals mit „Zur Sache, Schätzchen“ einen Kulterfolg gelandet hatte. „Wir waren eine ganze Clique von jungen Filmemachern und haben in seinen Bildern etwas gespürt, was wir selber ausdrücken wollten, eine junge Energie, einen scharfen Humor ganz ohne Zynismus. Eine Art heitere Melancholie.“
Der in Medellín geborene Botero hatte nach Studienjahren in Europa längere Zeit vergeblich um Anerkennung in New York gekämpft, aber keine Chance gegen die dortige Diktatur der abstrakten Kunst gehabt. Seinen Stil verteidigte er trotzdem souverän gegen den damaligen Mainstream. „Das gefiel uns“, sagt Schamoni, „wir haben ja ähnlich gedacht.“
Und so kauften die Münchner Künstler die damals noch erschwinglichen Gemälde. Etliche wurden nach rapidem internationalen Preisanstieg später wieder abgestoßen – zur Refinanzierung der jungen, wilden Filmkunst. Schamoni aber verfolgte die Karriere Boteros weiter und wollte eigentlich nach seiner oscarnominierten Künstlerbiografie über Friedensreich Hundertwasser (1973) sein Projekt verwirklichen, doch die Zeitumstände waren mehr als ungünstig.
Botero war an dem Tiefpunkt seines Lebens angelangt. 1974 hatte er bei einem tragischen Autounfall in Spanien seinen kleinen Sohn verloren und sich selbst so verletzt, dass die Fortführung seiner Malerkarriere gar nicht sicher war.
„Werner Spies, der mich in Paris persönlich mit Botero bekannt gemacht hatte, riet mir unbedingt von dem Filmprojekt ab“, erklärt Schamoni. Immerhin, ein lockerer Kontakt zwischen dem Filmemacher und dem Künstler war geknüpft. Und Botero begann bald nach dem Schicksalsschlag mit seinem plastischen Werk. „Mein Leben wurde in zwei Teile zerschnitten. Eines vor dem Unfall, eines danach“, sagt Botero nun im Film. Den unermesslichen Verlust verarbeitete er in immer neuen Variationen des geliebten Pedrito.
Aber nicht nur in diesen Gemälden lauert unter der farbenfrohen Oberfläche der Abgrund. Botero hat ganze Bilderserien über den kolumbianischen Bürgerkrieg gemalt – und sie dem Staat geschenkt, weil er sich nicht am Leid der Opfer bereichern möchte.
Es waren aber andere Schreckensbilder, die nun zu der Dokumentation führten. Als Schamoni den Abu-Ghraib-Zyklus von Botero sah, der die schrecklichen Folterszenen der amerikanischen Soldaten im Iraker Gefängnis thematisiert, wusste er, dass nun der Zeitpunkt reif war. „Botero war sofort einverstanden.“ Schamoni begleitete den Künstler in seine Werkstatt in der Toskana, wo die großen Figuren entstehen, und in sein Pariser Atelier – nur nach Kolumbien wollte der Maler nicht fahren. „Er meinte, das sei zu gefährlich.“
Erst zwei Tage bevor Schamoni und sein Kamerateam zur Spurensuche nach Lateinamerika aufbrachen, sicherte Botero per E-Mail seine überraschende Anwesenheit zu. Nun gehören diese Aufnahmen zu den emotionalsten: Botero – umjubelt von seinen Landsleuten auf der Straße und beim Stierkampf, den er so liebt. Vor allem aber die Szenen auf seinem traumhaften Landsitz sind pure Kinomagie. Hier arbeitete er über drei Jahrzehnte lang, bis ein brutaler Überfall die Idylle für ihn zerstörte. Rückkehr ausgeschlossen.
Die Leinwand hängt noch, eingetrocknete Pinsel liegen im Atelier, und Schamoni fand später Archivmaterial des Meisters beim Schaffensprozess am selben Ort. Überblendungen machen das Verrinnen der Zeit plastisch. Diese Dokumentation schwelgt in Boterobildern und arbeitet geschickt den Künstler hinter dem Klischee des Naiven heraus. Ein intelligenter und unterhaltsamer Bilderrausch.
„Kunst kann süchtig machen“, sagt Schamoni, „sie ist für mich auch so etwas wie ein Religionsersatz.“ Auf dieser Ebene verschmelzen der Künstler vor und hinter der Kamera. Botero fühlt sich nur frei, wenn er seine Fantasiewelten erschaffen kann. Er arbeitet täglich, ohne Urlaub, ohne Sonntage seit seinem 18. Lebensjahr, wie er betont. Auch Schamonis Augen blitzen feurig, wenn er auf seine eigene unermüdliche Arbeit zu sprechen kommt: „Andere werden in meinem Alter längst für ihr abgeschlossenes Lebenswerk ausgezeichnet. Ich aber bin auf dem Filmfest – mit einem neuen Film.“
Volker Isfort
>Für den Abschlussfilm des Filmfests über Fernando Botero (Mathäser, Samstag, 20 Uhr) gibt es noch Restkarten. Die Plastiken des Künstlers werden in München durch die Galerie Thomas, Maximilianstraße 25, vertrieben
- Themen: