Hauruckverfahren und Fallstricke
NS-Dokuzentrum: Heute ist das Konzept im Kulturausschuss. Ein paar Anmerkungen
Vorangegangen ist ein über zwanzigjähriges Tauziehen zwischen Bund, Land und der Stadt München um Lage, Finanzierung, Name und Konzept des NS-Dokumentationszentrums. Es soll im Frühjahr 2014 am Ort des ehemaligen „Braunen Hauses” eröffnet werden. Erst vor gut drei Monaten war der Historikerin Irmtrud Wojak ihre Funktion als „Gründungsdirektorin” entzogen worden – wegen unüberbrückbarer Differenzen mit dem städtischen Kulturreferenten Hans-Georg Küppers.
OB Christian Ude nannte Irmtrud Wojak „eine Frau, die es sich mit allen verdirbt.” Ein vierköpfiges Professoren-Team wechselte darauf vom Wissenschaftlichen Beirat in die Projektleitung. Es legte letzten Freitag sein inhaltliches Konzept für das NS-Dokuzentrum vor. Es soll heute im Kulturausschuss des Stadtrats beschlossen werden.
WAS DARAN SELTSAM IST Die Abfindung, die Frau Wojak zur Auflösung des Dienstverhältnisses erhalten hat, wurde absurderweise dem Projekt als Summe entzogen.
In die Entstehung des neuen Konzepts innerhalb der letzten drei Monate fühlten sich die wissenschaftlichen Mitarbeiter des Kulturreferats, die sich seit vielen Jahren mit dem NS-Dokuzentrum befassen, nicht eingebunden.
Am Ende präsentierte man das mit der heißen Nadel gestrickte Konzept intern weder transparent noch besonders seriös: Erst am 20. Januar wurde es wissenschaftlichen Mitarbeitern des Projekts im Kulturreferat vorgestellt, und dies auch nur mündlich. Bei 30 Schwerpunkten und ungefähr hundert Unterpunkten war eine sachliche Diskussion kaum möglich.
Nur eine Woche hatte das wissenschaftliche Team Zeit, sich lediglich aufgrund ihrer eigenen Mitschriften zu äußern.
DIE SCHWÄCHEN DES KONZEPTS Nicht genügend vertreten scheint die Verstrickung der Kirchen in die NS-Geschichte sowie die massenhafte Reinwaschung in der Nachkriegszeit durch sogenannte „Persilscheine”.
Inhaltlich wird der Schwerpunkt stark auf die Zeit zwischen 1933 bis 1945 gelegt. Was naheliegend erscheint, wirkt bei näherer Betrachtung reichlich fragwürdig: München ist die „Hauptstadt des Verdrängens” (Wilfried Nerdinger). Im durchgepeitschten Konzept dürfte die Entstehung der NS-Partei in der „Hauptstadt der Bewegung” zu kurz kommen. Gleiches gilt für den Umgang mit der Nazi-Zeit in den Jahren nach 1945 und die personellen Kontinuitäten der Eliten. Gerade dies aber wäre die für die heutige Gesellschaft von größtem Interesse.
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- Christian Ude