Hat München etwa Thomas Mann vergessen?

Vernachlässigt die Stadt das Andenken an Thomas Mann? Darüber entbrennt nun (mal wieder) eine Diskussion
Volker Isfort |
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Seinen Abschied als Vorstand der Stiftung Literaturhaus nutzte Ulrich Wechsler vergangene Woche zu einem kleinen Seitenhieb auf die Stadt: Diese habe nicht genug getan, an Thomas Mann zu erinnern, jenen Literaten, den das Großbürgertum (inklusive Richard Strauss, Hans Pfitzner und Hans Knappertsbusch) 1933 förmlich aus der Stadt gejagt hatte.

Diesen Vorwurf machen sich nun Richard Quaas und Bürgermeister Josef Schmid zu eigen. In einem Antrag der CSU-Stadtratsfraktion heißt es nun, man solle anlässlich des 60. Todestages des Literaturnobelpreisträgers (am 12. August 2015) aktiv werden. Dazu sollen Vorschläge gesammelt werden, wie dies prominent und sichtbar erfolgen könne. „Es gibt ein Thomas-Mann-Gymnasium, die nach ihm benannte Allee in Bogenhausen und den gemeinsam mit der Stadt Lübeck vergebenen Preis“, sagt Josef Schmid, „aber vielleicht kann man ja auch noch andere Formen des Erinnerns finden.“ Das Kulturreferat solle nun entscheiden, ob es Handlungsbedarf in diese Sache sehe.

Dirk Heißerer vom Thomas-Mann-Forum wundert sich ein wenig über die Nichterwähnung seiner Arbeit im CSU-Antrag. Schließlich bewahren er und die Münchner Thomas-Mann-Freunde seit 15 Jahren mit literarischen Spaziergängen, Lesungen und Aufführungen das geistige Erbe des Autors in der Öffentlichkeit. „Wir haben rund 200 Veranstaltungen zu Thomas Mann und den Seinen organisiert“, sagt er, „dabei in München sechs Gedenktafeln an Orten seines Lebens und Wirkens anbringen lassen. Auf unsere Initiative hin gibt es seit 2003 eine Thomas-Mann-Halle in der LMU sowie eine Vortragsreihe,Thomas Mann und München’, die in eine Schriftenreihe mit 16 Bänden festgehalten und erweitert wird.“

Für eine weitere Aufwertung der Erinnerung ist Heißerer offen, vor allem, weil ein Herzenswunsch des mit seinen Veranstaltungen durch München wandernden Forums unerfüllt ist: „In München fehlt noch immer ein Thomas-Mann-Haus wie es etwa in Lübeck und Zürich zu finden ist“, sagt Heißerer. Er sieht den CSU-Vorstoß daher positiv.

Ude wollte die falsche Mann-Villa damals nicht kaufen

Das Schicksal des 1913 erbauten, 1933 enteigneten, 1948 restituierten und 1952 abgerissenen Thomas Mann Hauses in Bogenhausen hat Heiserer in seinem Buch „Im Zaubergarten. Thomas Mann in Bayern“ geschildert. Die nun dem Original nachempfundene Villa an gleicher Stelle ist in Privatbesitz, allerdings enthält sie ebenso wenig einen einzigen Stein des Originals wie der Nachbau auf dem Gelände der Bavaria, in dem Heinrich Breloer die Erfolgsserie „Die Manns“ drehte (und das nun als Kulisse „Hotel Fürstenhof“ für „Sturm der Liebe“ benutzt wird).

Vor gut einem Jahrzehnt hatte die Stadt die Gelegenheit, das Haus in Bogenhausen zu kaufen, der damalige Oberbürgermeister Christian Ude wollte aber kein „drittes Literaturhaus“ und wehrte sich gegen ein Museum in falscher Kulisse. Schließlich hat die Stadt ja noch ihr literarisches Gedächtnis, die Monacencia, die zur Zeit umgebaut wird. Leiterin Elisabeth Tworek verwaltet dort rund 350 Nachlässe, darunter den von Thomas Manns Kindern. Zur Wiedereröffnung wird es nicht nur eine Familie-Mann-Bibliothek geben sondern auch die Dauerausstellung „Literarisches München zur Zeit von Thomas Mann“. „Wir halten seit Jahren über die Originale und die vielfache literarische Forschungsarbeit die Erinnerung an Thomas Mann aufrecht“, sagt Elisabeth Tworek und verweist auch auf den intensiven Austausch mit Zürich und Lübeck. Und das ist nur ein Teil der Erinnerungsarbeit.

 

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