Hartes Rio, frohes London
Die 58. Berlinale endete mit einem Sieg für das politische Kino. Überraschungs-Gold für Brasilien, drei Mal Silber für die USA.
Der radikalste, polarisierendste Film der 58. Berlinale, „Tropa de Elite“ über eine Elite-Einheit der brasilianischen Polizei, die im Kampf gegen Drogenkriminalität und korrupte Kollegen vor Foltermethoden nicht zurückschreckt, gewann am Samstagabend den Goldenen Bären. Eine überraschende und explizit politische Entscheidung der Jury unter Vorsitz von Costa-Gavras („Z“).
Überglücklich war Regisseur José Padilha (40), dessen auf Doku-Material basierendes Spielfilmdebüt in seiner Heimat ein Hit mit Millionen- Publikum ist und selbst in der Regierung diskutiert wird, die Padilha für all die Gewalt und das Elend verantwortlich macht.
„Tropa de Elite“ ist ein echter Nervenhammer, laut, hart, in flackernden Video-Bildern rasant geschnitten, erzählt aus der Sicht des jungen Polizeioffiziers Nascimento, der aussteigen will aus dem mörderischen Alltag, und konzentriert auf das Jahr 1997. Damals „säuberte“ Nascimentos Truppe eine der 700 Favelas von Rio de Janeiro brutal von der Drogenmafia, um den ruhigen Schlaf des Papstes auf Kurzvisite zu sichern.
Ein politisches Signal ist auch der Große Preis der Jury für die erste Dokumentation im Wettbewerb, Errol Morris’ „Standard Operating Procedure“ über den US-Folterskandal imirakischen Gefängnis Abu Ghraib, 2003. Bilder, die um die Welt gingen, unglaubliche Statements der US-Folter- Soldaten werden hier bisweilen opernhaft inszeniert, ein fragwürdiger, spekulativer „Kunstgriff“ von Morris.
Was für’s Gemüt gab es auch auf der Berlinale und auf der Preis-Gala mit Silber für die besten Darsteller. Sally Hawkins, die bezaubernde Londoner Lehrerin in Mike Leighs „Happy-Go-Lucky“ (GB), dem Publikumshit der Berlinale, freute sich mit „Pudding in den Knien und Tränen in den Augen“.
Reza Najie wurde ausgezeichnet für seine Rolle als gestresster Familienvater in dem warmherzigen iranischen Film „The Song of Sparrows“ von Majid Majidi.
Das bis zuletzt als eindeutiger Favorit gehandelte und für acht Oscars nominierte US-Drama „There Will Be Blood“ mit Daniel Day-Lewis als Öl- Tycoon bekam nur Silber, das aber doppelt – für die Filmmusik von Jonny Greenwood und die beste Regie von Paul Thomas Anderson. Der bedankte sich artig bei Festivalchef Dieter Kosslick („Es ist ein Privileg, auf die Berlinale zu kommen“) und innig bei seinem furiosen Helden Day-Lewis.
Nach dem Überraschungs- Gold 2007 („Tuya“) war heuer der chinesische Film „In Love We Trust“ erfolgreich. Autor- Regisseur Wang Xiaoshuai erhielt Drehbuch-Silber. Enttäuschend war nur, wie die Jury über Doris Dörries wunderbare Tragikomödie „Kirschblüten – Hanami“ hinwegging.
Angie Dullinger
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